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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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stand.
    Die Vergangenheit hatte ihn gelehrt, dass Regel Nummer vier am häufigsten zur Anwendung kam.
    Niemand in Nophelet bezeichnete einen Troll ungestraft als »Verdammtes Dreckspack«!
    Mit raschen Schritten durchquerte er die dämmrige Kneipe und baute sich vor dem Tresen auf. Erst jetzt blickte der Wirt auf. Er musste sehr hoch blicken. Für einen Moment schien das Blut aus seinem Gesicht zu weichen, als er die riesige Gestalt sah. Geistesabwesend putzte er das Glas fertig, das er in der Hand hielt, und stellte es in den Schrank. Seine Miene verfestigte sich, und er starrte Jorge herausfordernd an, so als könne er den Troll mit seinem hypnotischen Blick aus dem Laden fegen. Noch verbreiteter als die Dummheit ist die Arroganz , sagte ein gewisser alter Freund und Vorgesetzter immer.
    Jorge fuhr sich über das glatt rasierte Gesicht. Er enthaarte sich jeden Morgen an allen sichtbaren Stellen, auch auf der Stirn. Vor einigen Zeniten hatte er einmal gegen die strenge Auflage des IAIT verstoßen, nach der Trolle im öffentlichen Dienst ein möglichst menschenähnliches Erscheinungsbild zu pflegen hatten. Das hatte Ärger gegeben, und nur die Fürsprache seines langjährigen Kollegen hatte ihn vor einem Rausschmiss bewahrt. Seither vermied er solche ungewollten Provokationen.
    Jorge legte einen Arm, so dick und muskulös wie anderer Leute Oberschenkel, auf den Tresen, öffnete seine Pranke und deutete ein Winken an.
    »Wir haben geschlossen«, stieß der Wirt zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Jorge grinste und entblößte Zähne, deren Größe und Form an Grabsteine erinnerten.
    »Ich muss Sie wohl kaum auf die Schankverordnung aufmerksam machen?« Der Wirt deutete auf ein halb von Tüchern verhängtes Schild an der grünen Wand. »Kein Ausschank oder sonstiger Betrieb vor der zwölften Mittagsstunde. Sie müssen wieder gehen, schnell.«
    Jorge dachte nicht im Traum daran, wieder zu gehen, schon gar nicht schnell. Er hatte Brand, und der Tanz hatte gerade erst begonnen.
    »Weißt du, Wirt«, sagte er, »wir Trolle haben da ein Sprichwort, und es geht so: Mir egal!« Noch immer winkten seine Finger, und er zwang sie zum Stillstand. »Also, mein Lieber, Bier soll’s sein. Eines von diesen ganz großen. Weißt du, warum es Bier sein soll? Ganz einfach: Ich habe Durst. Entsetzlichen Durst. Warum tust du mir nicht einen Gefallen und machst mir gleich zwei Biere? Oder drei? Das wäre mal was! Ich hab s: Mach drei Biere und dann noch vier Wurzelschnäpse, wo wir schon mal dabei sind, und zwar schnell, sonst fang ich an zu husten.«
    Im Gesicht seines Gegenübers regte sich kein Muskel. »Nein,«, sagte er gefährlich leise.
    Die Dummen rannten gerne blind in ihr Verderben.
    Jorge zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Weißt du, wir Trolle haben da ein Sprichwort, und es geht so: Doch.«
    »Nein, wir haben geschlossen, und die Schankverordnung besagt, dass …«
    »Ich bin die Schankverordnung, lieber Freund«, behauptete Jorge. »Also, jetzt mal Spaß beiseite: Bier und Wurzelschnäpse bitte, ich hab Durst. Sag mal, wie heißt du eigentlich? Irgendwoher kenne ich dich doch?«
    »Hören Sie, ich könnte Sie einfach …«
    »Du bist doch der Dolder, oder?«, platzte Jorge heraus. Da er sich freute, dass ihm der Name des Trottels eingefallen war, stieß er sich vom Tresen ab, brachte dabei zwei Barhocker zu Fall und schlug sich mit der Hand so fest gegen den Hinterkopf, dass sein langes Haar nach vorne flog. Es klang, als prügele jemand mit einem Hammer auf einen rohen Schinken ein. »Dolder, natürlich! Hab dich gleich beim Hereinkommen erkannt. Der alte Dolder!«
    Jetzt zitterten die Muskeln im Gesicht des Wirtes, das Blut verabschiedete sich aus der oberen Körperregion und verschwand – irgendwohin.
    »Sie … Sie kennen … woher kennen Sie mich?«
    Jorge drehte eine Pirouette. Das bedeutete, er schleuderte seinen Leib einmal im Kreis herum, so dass die dunklen Bodendielen unter seinen Füßen ergeben ächzten. »Dolder, dacht ich’s mir doch. Jetzt aber mal wirklich Spaß beiseite, Dolder, wir Trolle haben da ein Sprichwort und es geht so: Spaß beiseite. Ich bin vom IAIT, hier, siehst du?« Er streckte eine Pranke aus, als wollte er Dolder an der Gurgel packen. An seinem Ringfinger steckte der klobige Zugehörigkeitsring des Instituts. »Das kennst du, nicht wahr, Dolder? Ich meine, unsere Behörde? Ich bin übrigens einer der ranghöchsten Beamten dort. Jetzt sag bloß, du kennst das Institut für
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