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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Meister Hippolit zumeist eine rasche, für den Kriminellen eher unerfreuliche Beilegung der Krise.
    Vor diesem Hintergrund war es nicht wirklich verwunderlich gewesen, dass sich Geheimrat K. irgendwann Sorgen wegen der zunehmenden Gebrechlichkeit seines besten Mannes zu machen begann. Hundertsieben Lenze waren auch für einen Thaumaturgen ein stolzes Alter, das kaum auf viele weitere Dienstjahre hoffen ließ, und nicht selten überwog mittlerweile der Aufwand, der zum An- und Abtransport des Greises sowie zur Befriedigung seiner diversen altersbedingten Bedürfnisse betrieben werden musste, seinen faktischen Nutzen vor Ort.
    Der Geheimrat setzte sich daher mit der Verwaltung der Thaumaturgeninnung von Nophelet in Verbindung und erwirkte eine der seltenen Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung lebensprolongierender Maßnahmen.
    Die namhaftesten Thaumaturgen Nophelets wurden zusammengerufen, um die infrage kommenden Rituale gegeneinander abzuwägen. Man einigte sich auf die Korporale Subtraktion, eine archaische, selten angewandte Praktik, mit der das Zielobjekt der körperlichen Auswirkungen einer beliebigen Anzahl von Lebensjahren entledigt werden konnte, ohne dass es zu einem Verlust intellektueller oder thaumaturgischer Fähigkeiten kam.
    Meister Balonart, ein thaumaturgischer Heiler der fünften Stufe, gebürtig aus einem weitabgewandten, inzestuösen Nest namens Zooth im südlichsten Zipfel Sdooms, weihte Hippolit vor Beginn in den Ablauf des Rituals sowie die aufwendigen Vorbereitungen ein, die er als Zielobjekt in den Tagen vor der Behandlung zu durchlaufen hatte: die streng vegetarische Diät, nach der er sich ernähren musste; die Entschlackung seines greisen Leibs durch Unmengen mit kieselsaurer Schafkerbelessenz versetzten Quellwassers; die körperlichen Ertüchtigungsübungen; und nicht zuletzt das gleichermaßen entwürdigende wie widerwärtige Sammeln seines eigenen Stuhls für eine ganz bestimmte Sequenz des Rituals, an die Meister Hippolit im Vorfeld lieber nicht denken mochte.
    Balonart, dieser Auswurf!
    Es hatte nie nachgewiesen werden können, aber von dem Moment an, da Meister Hippolit nach dem stundenlangen, unsagbar schmerzhaften Ritual die Augen aufgeschlagen und die überraschten – oder besser: bestürzten – Gesichter der umstehenden Thaumaturgen erblickt hatte, war er sich sicher gewesen, dass das misslungene Resultat der Behandlung einzig und allein auf das Konto des schielenden, nach Schafsmist riechenden Heilkundlers aus Zooth ging.
    Die Korporale Subtraktion hatte ihre Wirkung getan, das konnte niemand infrage stellen. Sie hatte Meister Hippolit um etliche Lebensjahre erleichtert; und dies ohne seine geistigen Fähigkeiten oder den Fundus seiner Erinnerungen anzukratzen.
    Allein, durch eine Unachtsamkeit irgendwo im Ablauf des hochgradig komplizierten Rituals (eine von Meister Balonart verschuldete Unachtsamkeit, schwor Hippolit) waren dem Chefermittler des IAIT mehr Jahre genommen worden als jene fünfzig, auf die man sich im Vorfeld geeinigt hatte.
    Bedeutend mehr.
    Und als wäre es nicht Strafe genug, dass er von diesem Zeitpunkt an im Körper eines Pubertierenden gefangen war – durch eine weitere Unachtsamkeit (Balonart, diese Missgeburt!) waren dem knabenhaften Körper im Zuge seiner Rückentwicklung auch noch sämtliche Farbpigmente verlustig gegangen!
    Als Meister Hippolit sich stöhnend auf dem Behandlungsaltar aufsetzte und einen Blick in den Spiegel warf, den ihm einer der anwesenden Thaumaturgen pflichtschuldig hinhielt, verspürte

er schlagartig den unwiderstehlichen Drang, seine dünnen, noch in peinigenden Muskelkrämpfen zuckenden Finger um Balonarts unrasierten Hals zu legen und unnachgiebig zuzudrücken. Doch der Heilkundler aus Zooth hatte bereits vor seinem Erwachen in weiser Voraussicht den Raum verlassen; er wurde in Nophelet und der weiträumigen Umgebung nie wieder gesehen.
    Es dauerte lange, bis Meister Hippolit sich ansatzweise an sein neues Erscheinungsbild gewöhnt hatte. An das gespenstisch bleiche Gesicht, das ihm jeden Morgen aus dem Spiegel entgegenstarrte, das schlohweiße Haar, das ihm in einer lästigen, schwer zu bändigenden Tolle in die Stirn fiel, die schlaksigen, ungelenken Gliedmaßen. Doch irgendwann schaffte er es, den Umstand, dass er sich selbst, wie er einst gewesen war, nicht einmal mehr im Ansatz ähnelte, zumindest zu ignorieren.
    Woran er sich weitaus schwerer gewöhnen konnte, war der Verlust des Respekts, den er sich in
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