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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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mich veralbern?«, blaffte er. »Wie alt bist du, Balg? Zwölf? Dreizehn? Was willst du über meinen Vater wissen? Oder über jenes ehrwürdige Institut, dessen Vertrauen in die Qualität unserer Waren meine Familie seit Jahrzehnten das Fortbestehen dieses Geschäfts verdankt?« Seine Stimme überschlug sich. »Nichts kannst du über all das wissen, grün, wie du noch hinter den Ohren bist …« Der Ladeninhaber stockte. Erst jetzt schien ihm das albinotische Erscheinungsbild seines Gegenübers aufzufallen, gefolgt von der Erkenntnis, wie deplaziert seine letzte Wortwahl in diesem Zusammenhang wirkte.
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Zum letzten Mal: Raus aus meinem Laden! Wieso zum Henker bist du eigentlich um diese Zeit nicht in der Schule?«
    Tick.
    Tick.
    »Guter Mann, ich habe bereits mehrmals versucht, Ihnenauseinanderzusetzen, dass ich mitnichten …«
    Mit einer unwirschen Handbewegung wandte sich Anecdotian junior wieder seinem Regal zu. »Die Jugend, sie verkommt«, murmelte er kopfschüttelnd. »Anstatt für das Leben zu lernen und eines Tages gebildete, eigenverantwortliche Bürger zu werden, belästigen, sie ehrbare Geschäftsleute! Ich sollte die Stadtwache rufen. Ja, das sollte ich …«
    Tick.
    Tick-tick.
    Tick-tick-tick.
    Das Pochen an der Schläfe des Jungen steigerte sich zu einem hektisch pulsierenden Stakkato. Diskussionen wie diese hatte er in den zurückliegenden beiden Jahren häufiger geführt, als er mit einer Frau geschlafen hatte; wobei Ersteres auf die Ignoranz sogenannter »erwachsener« Menschen zurückzuführen war, Letzteres auf die strikten Prostitutionsgesetze in Nophelet.
    Er legte eine Hand an die Seite seines Schädels und schloss seufzend die Augen.
    Meister Hippolit war geboren im Jahre 3112 des Dritten Zyklus, dem Jahr des Löwenbären. Ein Datum, das mittlerweile exakt einhundertsieben Jahre zurücklag. Sein beachtliches Lebensalter – beachtlich selbst für einen Versierten – sah man ihm in seiner gegenwärtigen Gestalt freilich nicht an; ebenso wenig konnte ein Fremder bei seinem Anblick ahnen, dass er einen Thaumaturgen der neunten Stufe vor sich hatte, möglicherweise den fähigsten, den man in Nophelet und weiten Teilen Sdooms finden konnte.
    Denn trotz seines ungewöhnlichen Erscheinungsbildes verfügte Meister Hippolit nach wie vor über das volle Spektrum seiner bemerkenswerten Fähigkeiten. Ebenso nannte er noch immer einen in Jahrzehnten kriminologischer Arbeit geschärften Verstand sein Eigen. Und wiewohl er seinem alten, gebrechlichen Körper, der in den letzten Jahren seines Daseins nur noch mittels eines rollbaren Gestühls von einem Ort zum anderen hatte geschafft werden können, nicht nachtrauerte – bei Lorgon, ganz gewiss nicht! –, verfluchte er sich in Situationen wie dieser stets aufs Neue dafür, dass er vor zwei Jahren dem Drängen der Institutsleitung auf eine Korporale Subtraktion nachgegeben hatte.
    Über siebzig Jahre hatte Meister Hippolit zu diesem Zeitpunkt im Dienste des IAIT gestanden, des Instituts für angewandte investigative Thaumaturgie. Während dieser Zeit hatte er sich einen Ruf als Koryphäe auf dem Gebiet der Aufklärung übernatürlicher Verbrechen erworben. Als promovierter Thaumaturg und ausgebildeter Lichtadept fiel es ihm nicht schwer, Unglücksfälle, wie sie unter Versierten ohne die notwendige Ausbildung häufiger vorkamen, von vorsätzlich angewandten thaumaturgischen Praktiken zu unterscheiden, mit denen die Bürger Nophelets in schöner* Regelmäßigkeit ihren Feinden oder Konkurrenten zu schaden oder sich selbst zu bereichern suchten. Oder auch beides gleichzeitig.
    Seine umfassende Allgemeinbildung und sein hohes Einfühlungsvermögen in kriminologischen Fragen ließen ihn binnen weniger Jahre zur Allzweckwaffe des IAIT gegen thaumaturgische Kriminaldelikte werden. Kam ein ranghoher Politiker auf rätselhafte Weise zu Tode, und es bestand der geringste Verdacht, dass übernatürliche Praktiken bei seinem Ableben eine Rolle gespielt haben könnten, war Meister Hippolit zur Stelle. Ein Kapitalverbrechen oder ein Gewaltakt unter Einwirkung von Thaumaturgie? Das IAIT schickte Meister Hippolit, um den Täter anhand seiner Signatur zweifelsfrei zu überführen.
    Selbst in Fällen, wo die Anwendung aktiver Thaumaturgie vonnöten war – wenn sich beispielsweise ein Versierter mit mehreren Geiseln irgendwo verschanzt hatte und die anrückende Stadtwache mit Detonationsglobuli beharkte – verhieß das Erscheinen von
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