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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Stirn hatte sich ein schmieriger Schweißfilm gebildet. Hippolit beugte sich darüber, um sie mit einem Ärmel seines Gewands abzutupfen, als ihn plötzlich ein unerwartetes Geräusch zusammenfahren ließ.
    Er gefror in der Bewegung.
    Wenige Herzschläge darauf ertönte es erneut, minimal lauter als beim ersten Mal.
    Es war das verstohlene Schleifen von Stein, der über Stein schabt. Und es kam aus der hinteren Hälfte des Saales.

Mit einem einzigen Wort ließ Hippolit die entferntesten der schwebenden Glutglobuli heller erstrahlen. Eine nach der anderen reagierten die Leuchtkugeln auf den thaumaturgischen Befehl, mit zunehmender Schärfe schälte sich das Ende des rauchverhangenen Gewölbes aus dem Zwielicht – und mit ihm die Quelle des Geräuschs.
    Im Zentrum eines bis zur Decke emporreichenden Wandmosaiks, dessen Kacheln die achtundachtzig Textzeilen der Preisung bildeten, des bekanntesten aller Gebete an Lorgon den Schöpfer, hatte sich eine schmale Öffnung gebildet, ungefähr fünf Fuß in der Höhe und anderthalb in der Breite.
    Jenseits dieser Geheimtür herrschte undurchdringliche Finsternis. Wer auch immer die getarnte Wandverkleidung zurückgeschoben hatte, er wollte sich offenbar noch nicht zu erkennen geben.
    Gemächlich schob Hippolit die Hände in die Taschen seines Gewandes, ein sardonisches Lächeln auf den Lippen.
    »Ein Gast zu so später Stunde?«, rief er halblaut. »Sie können ruhig herauskommen. Ich habe Sie bereits erwartet!«

28
     
     
     
    Die Welt um dich herum verschwimmt, verliert ihre Konturen.
    Zunächst ist Gideo erleichtert. Es ist jene Erleichterung, die ihn immer überkommt, wenn er in seiner ärmlichen Behausung im Katzenwinkel aus kalten Albträumen aufschreckt und sein Gehirn allmählich registriert, dass er nur geträumt hat.
    In letzter Zeit träumt er oft schlecht.
    Das trügerische Gefühl der Erleichterung verfliegt.
    Dahinter wartet die Agonie.
    Erliegt auf dem Kopfsteinpflaster. In seinem Schädel hämmert es. Seine Hände zucken. Er blutet.
    Gideo blutet!
    Du weißt um die Beschaffenheit des Schmerzes. Er kommt immer in Wellen, am häufigsten in den Nächten, in denen dir die Erbärmlichkeit deines Daseins bewusst wird.
    Aber Schmerzen bedeuten für Gideo gewöhnlich auch etwas Gutes: Irgendwann verschwinden sie wieder und lassen eine betäubende, nicht unangenehme Leere in ihm zurück. So ist es immer gewesen.
    Bestimmt wird auch dieser Schmerz bald nachlassen …
    Der Schmerz nimmt zu.
    Er schabt mit der Wange über das schmutzige Kopfsteinpflaster. Über sich erkennt er zwei Schatten. Der Fahrer des Vulwoogs grinst noch immer. Er wirkt auf unheimliche Weise ruhig. Er tut dies hier nicht zum ersten Mal – was auch immer er genau macht.
    Was ist geschehen was ist geschehen was ist geschehen was ist geschehen?
    Von unten betrachtet ist die Pfuhl-Welt noch dunkler, das ferne Licht der grünlichen Gaslaternen schafft es nicht mehr bis zu ihm herab. Gideos Beine sind ohne jedes Gefühl. In jeder Pore stecken winzige Eissplitter.
    Nur das fließende Blut ist heiß und klebrig.
    Und plötzlich weißt du, dass du sterben wirst.
    Der Gedanke ist völlig klar und logisch, eine einfache Erkenntnis, ein vergrabener Instinkt, der aus dem Unterbewusstsein hervorkriecht.
    Du weißt, die Angst darf nicht obsiegen!
    Er muss genau hinsehen. Warum, das weiß er nicht mehr. Es ist wichtig zu sehen. Sich alles zu merken.
    Aber Gideo hat schreckliche Angst. Panik überflutet sein Gehirn. Es gab ein altes Trollsprichwort, und das ging so: Angst tötet die Vernunft.
    Angst tötet deine Beobachtungsgabe.
    Aber er hat gelernt, mit Angst umzugehen.
    Ungewohnt sind lediglich die irrsinnigen Schmerzen.
    Aber auch sie kann er beherrschen, bei Batardos. Schmerzen … sind … nur … eine … Illusion!
    Die illusorischen Schmerzen werden so schlimm, dass Gideo binnen eines Wimpernschlages den Verstand zu verlieren glaubt. Er denkt nicht mehr. Er versucht zu handeln. Keine Chance zu fliehen. Seine Muskeln sind implodiert, geschmolzen. Er ist ein Tier, das in eine schreckliche Falle geraten ist.
    Keine Gedanken mehr!
    Nur noch unverbrauchter, tiefer Schmerz, wie ihn kein Troll jemals hat erleiden müssen.
    Eine samtige Stimme in der Dunkelheit: »Gleich ist es vorbei. Jede Geburt bedeutet Schmerz.«
    Er hebt seinen fremden Kopf.
    Die beiden Schattengestalten knien auf ihm. Sie scheinen

schwerer zu sein als ein ausgewachsener Equuphant. Er bekommt keine Luft. Der Chauffeur mit den Fischaugen
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