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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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man durfte nicht unterschätzen, über welche Fähigkeiten er als Folge seines aberwitzig langen Lebens verfügte. Auch sein tumber Assistent durfte nicht außer Acht gelassen werden, selbst wenn der momentan tief in revalischer Trance lag.
    Man kam nicht so weit wie er, wenn man andere unterschätzte!
    Die glühende Klinge verschwand in einer passenden Scheide, die er mit geübten Handgriffen an seinem Gürtel befestigte. Ein letzter Rundblick, dann ließ er den Glutglobulus mit einem gemurmelten Laut verlöschen und schritt durch das dunkle Zimmer zur Tür.
    Ein Geruch nach Leder und totem Tier stieg ihm in die Nase, als er die finstere Schranknische passierte, wo die schwarze, mit Samt ausgekleidete Tasche auf ihren nächsten nächtlichen Einsatz wartete.
    Sie würde noch eine Weile länger warten müssen.
    Bevor er die Versuchsreihe fortsetzen konnte, musste Ersatz für Ulph gefunden werden. Der Chauffeur war eine Made gewesen, dennoch würde es ihm gewisse Mühen bereiten, einen ähnlich hirnlosen Handlanger von unverbrüchlicher Loyalität zu finden.
    Er erreichte die Tür, entriegelte sie und trat nach draußen.
    Seiner Schätzung nach würde er eine Viertelstunde brauchen, um das alte Gewölbe unter dem Königspalast zu erreichen. Der Gedanke erzürnte ihn, doch er musste langsam, gemessenen Schrittes gehen und Umwege in Kauf nehmen, um keinen Verdacht zu erwecken. Ohne Zweifel würde er auf dem Weg trotz der späten Stunde Menschen begegnen. Menschen, die ihn kannten.
    Er zwang sich, die lodernde Ungeduld in seinem Innern zu bezähmen. Es war völlig ausreichend, wenn Meister Hippolit in einer Viertelstunde seinen letzten Atemzug tat!
    Lautlos wie ein Schatten glitt er die Turmtreppe hinab.

26
     
     
     
    Kalt kriecht der Nebel durch Foggats Pfuhl. Kalt und stinkend wie toter Fisch, der irgendwie seinen Aggregatzustand verändert hat.
    Er lehnt mit dem Rücken gegen die Mauer eines baufälligen Hauses. Im Grunde sind alle Häuser im Pfuhl baufällig.
    Woher weiß er das?
    Er verkehrte hier ab und an, früher.
    Nein, falsch.
    Er ist hier aufgewachsen. Hat sein ganzes Leben im Pfuhl zugebracht. Ein erbärmliches Leben. Eine dunkle Erinnerung, tief vergraben. Erinnerungen sind beständig. Egal, wie schrecklich sie sind, man gewöhnt sich an sie.
    Er kramt in seinem Gedächtnis nach seinem Namen.
    Gideo. Sein Name lautet Gideo.
    Es gab da ein altes Sprichwort, und es ging so: Du musst immer wissen, wo dein Leben stattfindet.
    Auch wenn es ein erbärmliches Leben ist.
    Sein Name lautet Gideo.
    Er ist ein Besucher, ein Gast auf Zeit, ein Beobachter, ein …
    Nein, schon wieder falsch.
    Er ist ein Teil des Pfuhls, war immer ein Teil davon. Seit Ewigkeiten schon hausen die Abkömmlinge der elbischen Rasse im Pfuhl. Ganz tief unten, wo selten ein Sonnenstrahl hinfällt.
    Langsam hebt er einen Arm, betrachtet seine schlanken Finger. Fährt sich damit durchs Haar. Es ist lang und dünn. Blondes Haar. Die Freier mögen blondes Haar.
    Gideo hat das Geschoß der Prostitution von der Pike auf gelernt. Schon als Knabe verstand er es, den alten, sabbernden Säcken das zu geben, was sie am meisten begehrten. Den in verbotene Lust gebetteten Frieden. Den kleinen Tod.
    Aber im Pfuhl ist noch ein anderer, größerer Tod herangewachsen.
    Die paranoide Stimmung, die seit Tagen in der Szene herrscht, ist nicht spurlos an Gideo vorübergegangen.
    Nebelschwaden rollen durch die Gasse. Am anderen Ende leuchtet eine grüne Laterne. Sie spendet kaum Licht. Das Kopfsteinpflaster ist feucht. Die Schatten – mächtig, allgegenwärtig.
    Kein Windhauch. Absolute Stille.
    Ein altes Sprichwort warf die Frage auf Wenn du in völliger Lautlosigkeit stellst, existierst du dann überhaupt?
    Gideo weiß nicht, woher dieser Gedanke kommt. Er fühlt sich nicht besonders wohl, seit Tagen hat er mit einer Erkältung zu kämpfen. Elben sind eigentlich nicht anfällig für Krankheiten, ausgenommen die Seuche. Aber wenn man sich die Nächte im Pfuhl um die Ohren schlägt, kann es vorkommen, dass man sich mit den absurdesten Keimen infiziert. Das ist der Preis der Dunkelheit.
    Die Realität: Du stehst mitten in der Nacht mutterseelenallein unter einer Straßenlaterne und wartest darauf, dass dich eine Stimme aus den Schatten anspricht. Normalerweise beschränkt sich die Stimme auf Minimalkonversation.
    »Wieviel?«
    »Vier Silberkaunaps.«
    Keine Verhandlungen. Du weißt, dass vier Kaunaps ein faires Angebot sind. Früher hast du mit dir feilschen
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