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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Batardos!

27
     
     
     
    Knisternd zuckten bläuliche Energieströme an der silbernen Schnur entlang, die die beiden bewegungslosen Körper miteinander verband. Phasenweise sah es so aus, als würde der dünne Faden brennen, wenn die ungewöhnlich gefärbten Flammen wie winzige Finger in alle Richtungen leckten und züngelten.
    Die Übertragung der Sinneswahrnehmungen war in vollem Gange.
    Hippolit beobachtete das exotische Schauspiel mit gemischten Gefühlen. Einerseits waren die sichtbaren Energieströme, wie er aus seinem Studium der Schriften Pogorschals wusste, ein Zeichen dafür, dass alles lief wie geplant: Seit einer guten Dreiviertelstunde wurden die letzten Erinnerungen und Empfindungen des toten Elbs nun schon seinem kalten Hirn entrissen und glitten wie Regentropfen an einer Wäscheleine hinüber in den Verstand seines schlafenden Freundes. Kein Grund zur Sorge also.
    Eigentlich.
    Es knackte, als eine überdurchschnittlich große Ladung ungefähr auf halber Strecke zwischen den Altären detonierte und eine fingerlange Protuberanz in die Luft des Gewölbes sandte, in der noch immer Rauschschwaden von dem zurückliegenden Ritual hingen.
    In Jorges Gesicht zuckte es, seine Augenbrauen zogen sich zu einem unwilligen Strich zusammen. Sein Atem, nach wie vor röchelnd, ging heftiger.
    Skeptisch musterte Hippolit die Knoten, mit denen er gemäß Pogorschals Anweisungen den silbernen Faden am Kopf des Elbs befestigt hatte. In einem leichten Bogen führte er von dort hinüber zu Jorge, um dessen Kopf das andere Ende auf Höhe der Schläfen geschlungen lag.
    In Hippolit nagte der Zweifel, ein Gefühl, das er seit seiner Studienzeit nicht mehr gekannt hatte.
    So reibungslos alles zu laufen schien, es ließ sich dennoch nicht leugnen, dass er die Finale Stunde noch nie zuvor angewandt hatte. Sollte etwas Unvorhergesehenes eintreten, konnte er allenfalls improvisieren – ein Gedanke, bei dem es in seinem Magen unheilvoll rumorte.
    Und noch etwas beunruhigte Hippolit in wachsendem Maße.
    Wieder hüpfte eine Entladung die thaumaturgische Verbindung entlang, schlug wie ein miniaturisierter Blitz in Jorges Schädel. Die blassen Lippen des Trolls öffneten sich, ein leises, lang gezogenes Ächzen drang daraus hervor.
    Was immer Jorge in diesen Sekunden durchmachte, es war allem Anschein nach kein Vergnügen!
    Hippolit spürte das nervöse Pochen an seiner Schläfe. Natürlich hatte er geahnt, das er seinem Freund einiges abverlangte, als er ihn darum bat, sich als Medium zur Verfügung zu stellen. Doch erst jetzt, da er mit eigenen Augen sah, wie intensiv Jorge die Sinneswahrnehmungen des Toten durchlebte, begann er sich zu fragen, ob die Durchführung des Rituals tatsächlich unumgänglich gewesen war. Denn wenn er ehrlich war, hatte er, spätestens seit seiner Unterredung mit Baron Nitz, längst eine vielversprechende Theorie zur Identität des Täters. Mehr noch, er war beinahe sicher, dass der Mörder sich schon in Kürze selbst entlarven würde …
    Jorge stöhnte auf, ein krächzender, heiserer Laut, der eher von einem Greis zu stammen schien als von einem ausgewachsenen Troll.

Was hatte das zu bedeuten? In den Aufzeichnungen hatte nichts über wie auch immer geartete Lautäußerungen der Probanden gestanden. Doch die Tagebücher Pogorschals konnten leider kaum als Musterbeispiele für Ordnung und Vollständigkeit durchgehen.
    Was, wenn der manische Nekromant eine entscheidende Zutat seines Zaubers zu notieren vergessen hatte?
    Das Pochen an Hippolits Schläfe verstärkte sich, als er sich erinnerte, wie viele vergebliche Versuche es Pogorschal fast fünftausend Jahre zuvor gekostet hatte, bis seine Technik endlich vervollkommnet war. Er versuchte, die beunruhigenden Berichte über die zahlreichen Komplikationen aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, über die er bei seinen Recherchen gelesen hatte. Von Fällen irreparablen Wahnsinns war dort berichtet worden, von Männern, die nach der bewussten Stunde als sabbernde Idioten aus der revalischen Trance erwacht waren …
    Hippolit schüttelte heftig den Kopf. Er war ein exzellenter Thaumaturg – der beste, den er kannte, um genau zu sein. Und Jorge war auch kein normaler Mann, bei Lorgon! Was er vorhin, halb im Scherz, über seinen unbeugsamen Willen gesagt hatte, war keineswegs aus der Luft gegriffen, wenngleich Hippolit in diesem Zusammenhang statt von Charisma und Willensstärke eher von Starrköpfigkeit oder Sturheit gesprochen hätte.
    Auf Jorges stoppeliger
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