Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
befürchtet hatte. »Unser Alphabet zu lernen ist dir genauso schwergefallen«, gab Lord Waringham zurück. » Damals habe ich mir Sorgen gemacht. Ich fürchtete, mein Sohn sei ein Dummkopf.« Er lächelte zerknirscht. »Aber als du es schließlich gemeistert hattest, warst du gar nicht mehr von den Büchern fortzubekommen. Vor allem von den Artusgeschichten. Weißt du noch?«
    »Ja. Aber das ist nicht …«
    »Es ist die Fertigkeit des Lesens, die zu erlernen dir schwerfällt. Das ist alles. Ich werde Sir Thomas einen Brief schreiben und …«
    Nick hob abwehrend die Linke. »Nein, Vater, warte. Meine mangelhaften Fortschritte sind nicht der einzige Grund, warum er mich nach Hause geschickt hat.« Er steckte zwei Finger in die kleine Innentasche der ärmellosen Schaube und zog den versiegelten Bogen hervor. »Hier.«
    Jasper of Waringham streckte die Hand aus und warf seinem Sohn einen fragenden Blick zu, ehe er den Brief entgegennahm und das Siegel erbrach. Sein Gesicht gab nichts preis, während er las, doch er war merklich blasser geworden, als er den Brief in den Schoß sinken ließ, und seine Kiefermuskeln wirkten wie versteinert. »Weißt du, was darin steht?«
    »Nein. Was schreibt er?«
    »Er … er droht mir.« Er gab ein kurzes Schnauben von sich, das fast wie ein ungläubiges Lachen klang. »Mein alter Freund, Sir Thomas More, warnt mich mit großem Nachdruck vor den lutherischen Irrwegen, die ich angeblich eingeschlagen habe.« Er senkte den Blick wieder auf das Schreiben und las murmelnd: »›Ich schicke Nicholas heim, um Dich daran zu erinnern, dass Du für mehr als nur Dein eigenes Wohl verantwortlich bist, und weil ich, eingedenk meiner Position, den Sohn eines Mannes von zweifelhafter Gesinnung nicht in meiner Schule dulden darf.‹« Er schlug mit dem Handrücken auf das Schreiben, dass es knallte. »Was fällt ihm ein? Wann genau ist es passiert, dass aus dem größten Geist Englands ein frömmelnder, selbstgerechter Wichtigtuer geworden ist, der mit Scheuklappen durchs Leben geht?«
    »Sprich nicht so von ihm!«, fuhr Nick auf.
    Sein Vater starrte ihn verdutzt an. »Wie war das?«
    Nick hob beide Hände zu einer versöhnlichen Geste. »Das ist er nicht. Er ist unerbittlich in Fragen des Glaubens und der Moral, das stimmt. Und er stellt zu hohe Ansprüche an die Menschen, weil er einfach nicht begreift, dass nicht alle so … standhaft und frei von Sünde sein können wie er. Ich glaube, seine Frau und seine Tochter finden ihn manchmal schwer zu ertragen, und das kann ich verstehen. Aber er ist ohne Zweifel der gütigste Mensch, dem ich je begegnet bin. Er ist in aufrichtiger Freundschaft um dich besorgt. Du seiest ihm teuer, hat er zu mir gesagt, und wenn er es sagt, ist es wahr. Also hör lieber auf ihn.«
    Jasper of Waringham sah seinen Sohn mit leicht geöffneten Lippen an. »Du meine Güte«, sagte er dann. »Ich habe dich nicht zu ihm geschickt, damit du vernünftiger zurückkehrst, als ich es je war. Das schadet meiner Position.«
    Nick musste grinsen. »Oh, keine Bange. Ich bin alles andere als vernünftig.«
    Sein Vater erwiderte das Grinsen. »Das erleichtert mich. Was denkst du, gehen wir essen?« Er stand auf und legte den Brief auf dem Tisch ab.
    Nick erhob sich ebenfalls, und eher unbeabsichtigt fiel sein Blick auf die letzten Zeilen des Schreibens. Vergiss John Oldcastle nicht , stand dort.
    »Wer ist John Oldcastle?«, fragte er, während er seinem Vater zur Tür folgte.
    »Hm?«, machte Lord Waringham zerstreut. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Er trat auf den Korridor hinaus.
    Sein Sohn seufzte. »Vater …«
    »Nein, ehrlich, Nick, ich weiß nicht …«
    »Dann werde ich es wohl nachlesen müssen«, brummte Nick vor sich hin. »Wenn ich in Sir Thomas’ Schule eins gelernt habe, dann das: Wie man was in welchem Buch findet.«
    Sein Vater kapitulierte. »Oldcastle war der einzige Edelmann, der in England je wegen Ketzerei verbrannt wurde. Jedenfalls ist es das, was Sir Thomas mir sagen wollte, indem er den Namen erwähnte. Es soll heißen: Fühle dich nicht sicher, nur weil du der Earl of Waringham bist. Aber der Vergleich hinkt. Erstens bin ich kein Ketzer, und zweitens wurde Oldcastle ebenso wegen Verrats verurteilt. Er war ein … Sonderfall.«
    »Sir Thomas sagt, Ketzerei ist Verrat«, bemerkte Nick.
    »Ach wirklich? Und auf welche Argumentation stützt er diese abstruse juristische Theorie?«
    »Ketzerei sei Verrat an Gott und ein schwereres Vergehen als alle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher