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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel
Autoren: Andrea Schacht
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gegenüber dem Neuen und Ungewöhnlichen und eine Freiheit des Geistes, die man an anderen Orten nicht fand.
    Trine hatte sich neben die Begine gesetzt und lehnte ihren Kopf an deren Schulter. Auch sie schien versonnen und damit zufrieden zu sein, dem Fließen des Stromes zuzusehen. In ihrem Schoß lag das golddurchwirkte Tuch, das Dietke Almut am Abend zuvor gegeben hatte, um ihr Haupt zu bedecken. Schweigend hing Almut ihren Gedanken nach und ließ die vergangenen Tage an sich vorüberziehen.
    Als die Sonne hoch am Himmel stand und es zu heiß wurde, stand sie mit einem wohligen Seufzer auf. Höher am Ufer gab es ein wenig Schatten unter den Büschen, die sich in das sandige, steinige Erdreich verbissen hatten. Hierhin zogen sich Almut und Trine zurück und nahmen den mitgebrachten Korb in Augenschein. Speckkuchen und Brot, Wein und Wecken und sogar vier reife Pfirsiche befanden sich darin. Von Sankt Kunibert klang die Glocke herüber, die die elfte Stunde des Tages verkündete, als sie sich ihrem Mahl widmeten. Dann wuschen sie sich die Hände im klaren Wasser des Rheins, und Almut, die das reichliche Essen und die Sonne schläfrig gemacht hatten, lehnte sich an einen breiten Stein und döste friedlich ein.
    »Der Schlaf der Gerechten hat Euch übermannt, vermute ich?«
    »Mh?« Almut blinzelte verschlafen und erkannte die schwarze Kutte neben sich. Der Mann darin warf einen langen Schatten, denn der Nachmittag war schon vorangeschritten.
    »Pater Ivo! Wie habt Ihr mich gefunden?«
    »Eure Meisterin verriet mir, dass Ihr zum Fluss hinuntergegangen seid, um Euren Ferientag zu genießen. Ich erinnerte mich an die Stelle, Begine, und dachte mir, dass ich Euch hier finde. Ich habe Neuigkeiten für Euch.«
    Almut bewegte die Schultern und zog die Beine an, um in eine aufrechte Stellung zu kommen.
    »Lasst nur, ich setze mich eine Weile zu Euch, wenn es Euch nicht stört.«
    »Nein, es stört mich nicht. Ihr seht müde aus, Pater.«
    »Es war eine lange Nacht, Begine, die Ihr mir aufgebürdet habt.«
    »Dann tut es mir Leid, Pater, das wollte ich nicht.«
    »Ich weiß. Ich habe es selbst so gewollt. Nachdem ich Eurer Meisterin das Wesentliche berichtet hatte, bin ich noch einmal zurück zu de Lipa gegangen. Er hatte inzwischen sein ganzes Mannsvolk ausgeschickt, um nach Rudger zu suchen. Immerhin hat er so viel Verstand bewiesen, vor allem am Rheinufer nach ihm zu forschen. Ich begleitete ihn, und gemeinsam baten wir die Schiffer und Bootsleute, die noch wach waren, nach einem Verkrüppelten Ausschau zu halten. Erst in den Morgenstunden kehrte ich ins Kloster zurück.«
    »Ihr habt ihn nicht gefunden?«
    »Doch. Nach der Terz rief mich ein Knecht des Weinhändlers zum Hafen. Sie hatten Rudger gefunden, verfangen in den Rudern eines Oberländers. Er war schon seit Stunden tot.«
    »Der Herr sei seiner Seele gnädig.«
    »Ich hoffe, der Herr hört Eure Bitte. Rudger wird sie benötigen.«
    »Und de Lipa?«
    »Nicht völlig trostlos über den Verlust. Aber ein gebrochener Mann. Seine Frau tief erschüttert. Nun, vielleicht war Eure Bitte um Gnade berechtigt. Er sagte mir, er wolle seine Geschäfte und Familienangelegenheiten hier in Köln noch zu Ende führen und dann die Stadt verlassen. Er hat seinen Ehrgeiz geopfert, und vielleicht gelingt ihm in der Fremde ein neuer Anfang. Er lässt Euch ausrichten, dass er Eurem Konvent eine großzügige Spende machen möchte. Ihr solltet sie annehmen, Begine.«
    »Darüber bestimme ich nicht alleine.«
    »Ich halte Frau Magda für verständig genug, es nicht abzulehnen. Wünscht Euch etwas, das auch Euch nützt und Freude bereitet. Und seid nicht zu bescheiden. Er kennt keine andere Art, seinen Dank abzustatten.«
    »Ein persönliches Geschenk nützt dem Konvent wenig.«
    »Richtig, aber Ihr könntet ihn um ein weiteres Haus bitten – und es dann selber bauen.«
    Er hatte Lachfältchen um die Augen, als er ihr das mit ernster Stimme vortrug.
    »Damit ich staubig und mit aufgestecktem Kittel im Mörtel rühren kann und mir raue, rissige Hände beim Mauern hole?«
    »Ich hatte bislang nicht den Eindruck, dass Ihr unwillig solchen Aufgaben nachgeht.«
    »Nein, das tue ich auch nicht. Und wenn ich ganz eigennützig denke – und Pater Ivo, dieser Sünde gebe ich leider allzu oft nach –, dann würde ich gerne meiner Maria eine Kapelle bauen.«
    »Eine Kapelle zu stiften, wird de Lipas Herz gewaltig erleichtern.«
    »Nun, dann soll es eine Kapelle sein. Ich werde Meister Michael doch
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