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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel
Autoren: Andrea Schacht
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verloren und leidet unter seinen Gebrechen. Doch er liebt seine Schwester und wollte das Unrecht beenden, das ihr zugefügt wurde. De Lipa schließlich liebte Jean und wurde von ihm wiedergeliebt. Beide haben unter ihrer verbotenen Liebe gelitten. Ich weiß nicht, wie die Strafen der Hölle aussehen, mit denen wir einst unsere Sünden abbüßen werden, aber sie mögen dem Leid gleichen, das in diesem Haus herrscht.«
    »Ketzerin!«
    »Ja, das bin ich wohl.«
    »Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?«
    »Warten, bis Rudger gefunden wird«, sagte sie leise. Und noch leiser: »Lebend… oder tot.«
    De Lipa sah Almut mit schweigender Verwunderung an, und Dietke drehte langsam den Kopf zu ihr.
    Pater Ivo neigte zustimmend das Haupt: »Begine?«
    »›Und wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle‹…«
    »Hat Paulus gesagt. Ich werde warten, de Lipa. Doch findet Rudger schnell, denn die Wahrheit will ans Licht dringen.«
    Er erhob sich und nickte Almut zu. Trine, die alles mit großen Augen verfolgt hatte, half ihr von der Bank auf.
    »Gebt mir ein Tuch, Frau Dietke, damit ich meine Haare bedecken kann, wenn ich auf die Straße gehe.«
    »Ich werde morgen wieder vorsprechen, de Lipa. Und dann wird mich die Begine nicht begleiten!«
    Mit einem feinen, golddurchwirkten Seidentuch aus Dietkes Truhen bedeckte Almut ihre Haare und verließ, ohne sich von den Eheleuten zu verabschieden, das Haus. Sie fühlte sich wie ausgelaugt und kraftlos, und mehr als einmal mussten Trine und Pater Ivo sie stützen, wenn sie strauchelte.
    Mettel ließ sie nach dem Klopfen ein, sie war verschlafen und verwundert über die späte Störung.
    »Ich muss Eure Meisterin sprechen, Pförtnerin. Könnt Ihr sie bitte rufen?«, bat Pater Ivo. »Und Ihr geht sofort ins Bett, Begine. Trine wird Euch helfen.«
    Er stützte Almut, bis sie an ihrem Häuschen angekommen war. Doch bevor sie die Tür öffnete, nahm er ihre Hand und sprach leise: »Die barmherzige Mutter segne und behüte Euch, Begine. Die reine Jungfrau wende Schaden von Euch und erhalte Euch Eure gütige Seele. Die Mutter Gottes lasse ihr Angesicht leuchten über Euch und sei Euch gnädig. Die Himmelskönigin selbst erhalte Euch Eure beredte Zunge und schenke Euch die Kraft, sie zu beherrschen. Die heilige Maria hebe ihr Antlitz über Euch und schenke Euch Frieden. Schlaft wohl, Frau Sophia.«
    Dann drehte er sich um, ohne auf ein Wort von ihr zu warten.

26. Kapitel
    Pater Ivo hat mir gestern Abend noch in groben Zügen berichtet, was geschehen ist, Almut. Und ich muss sagen, ich bin noch immer erschüttert!«
    Die Meisterin hatte sich erhoben und sah aus dem Fenster ihres Zimmers, während Almut, nach einer tief durchschlafenen Nacht, wieder erholt und mit klaren Augen stickend auf der Bank neben dem Kamin saß.
    »Es war eine Zeit lang entsetzlich, ja. Das Einzige, das mich nicht vollkommen verzweifeln ließ, war die Hoffnung, dass die Dämpfe nach der Reinigung der Kloake nicht mehr so giftig waren und dass mich irgendjemand rechtzeitig vermissen würde, bevor ich verhungerte. Ich werde Trine mein Leben lang dankbar sein.«
    »Ein kluges Kind. Wenn ich nur wüsste, wie man ihr mehr helfen kann. Ich werde nachdenken.«
    »Ja, tu das, Magda. Und denke auch über Rigmundis nach. Denn, weißt du, sie hat jetzt drei Mal in ihren Visionen Dinge vorhergesehen, die mich sehr stark betrafen. Ich wollte es zunächst nicht glauben. Erinnerst du dich an ihren Traum von dem dunklen Spiegel, kurz bevor Jean starb?«
    »Und du so spöttisch über Claras verstauchten Finger gelästert hast? Ja, ich erinnere mich. Es ist jemand gestorben, und es hat einen schwarzen Spiegel gegeben. Welches waren die anderen Vorhersagen?«
    »Oh, die zweite betraf einen schönen Mann, dem ich zwar begegnet bin, der aber keine besondere Rolle gespielt hat. Es ist nur bemerkenswert, dass er aufgetaucht ist. Die dritte Prophezeiung ist es, die mich in ihrer erschreckendsten Form betroffen hat.«
    Almut berichtete von Rigmundis’ Worten am Mittwoch, die von der kalten Hölle handelten.
    »Ich hätte gewarnt sein müssen, hätte ich es nur auf mich bezogen!«
    »Allmächtiger! Ich habe Rigmundis’ Visionen eigentlich immer für Ausgeburten einer fruchtbaren und manchmal überreizten Fantasie gehalten. Aber, Almut, wenn das wahr ist, wenn sie wahrhaftig die Zukunft vorhersagen kann, dann darf es um Himmels willen nicht aus
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