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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel
Autoren: Andrea Schacht
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diesen Mauern dringen. Stell dir vor, was uns das für einen Ruf gibt!«
    Magda war eine ausnehmend vernünftige Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit stand. Doch die Gabe der Vorhersehung bei anderen stellte sie nicht in Abrede. Sie sah aber die Gefahren, die diese Gabe mit sich brachte.
    »Ich werde mit Rigmundis reden.« Seufzend setzte sie sich zu Almut. »Was ist nur mit unserem beschaulichen, ruhigen Leben in der letzten Zeit geschehen?«
    »Ich bin schuld daran, dass es so bedroht wurde, Magda. Ich weiß! Wenn ich nicht in der Kirche disputiert hätte…«
    Betreten senkte Almut den Kopf.
    »Nein, meine Liebe. Wenn du so anfängst, kann ich mir die Schuld genauso geben. Hätte ich nicht verfügt, dass ihr die Messe in St. Brigiden besuchen sollt… Komm, dann sind wir bald wieder bei Adam und Eva!«
    »Wo alle Schuld begann.«
    »Richtig. Zerbrich dir also deswegen nicht den Kopf. Es kommt, wie es kommt!«
    Almut schmunzelte.
    »Insh’ allah, wie meine Schwester zu sagen pflegt.«
    Irritiert sah Magda sie an und fragte: »Sagt sie das? Na gut. Also, was wirst du jetzt tun, Almut? Gibt es noch etwas, wobei deine Hilfe notwendig wäre?«
    »Wahrscheinlich nicht, Magda. Aber ich würde gerne hören, ob Rudger gefunden wurde. Ich denke, Pater Ivo wird mir Bescheid geben, wenn das geschehen ist. Und ich möchte auch gerne, dass Aziza erfährt, was passiert ist, denn sie hat mir so oft beigestanden und geholfen.«
    »Dann sprich mit ihr. Vielleicht solltest du sie herbitten.« Magda lächelte zwar, aber ihre Mahnung klang ernst. »Du hast dich in der letzten Zeit ein wenig zu häufig mit ihr zusammen in der Öffentlichkeit gezeigt, und ihr Ruf kann durch einen Besuch bei frommen Beginen nur besser werden.«
    »Ich werde Pitter beauftragen, sie zu uns zu bitten.«
    »Pitter? Ist das der magere Schlingel, der sich immer in der Nähe des Tors herumdrückt, um Gertrud etwas zu Essen abzuschwatzen?«
    »Ich weiß nichts von Abschwatzen, aber er hat einige Botengänge für mich gemacht, und ich habe ihn dafür an unsere Köchin verwiesen.«
    »Wie dem auch sei, wir werden es verkraften können. Außerdem denke ich, du solltest heute von deinen Pflichten entbunden sein, um dich von den Anstrengungen der letzten Zeit zu erholen.«
    »Danke, Magda. Weißt du, ob die Stadt heute sicher ist? Hast du etwas über die Kämpfe vor den Mauern gehört?«
    »Ach ja. Es gab gestern noch ein kurzes Reitergefecht auf dem Judenbüchel, dann haben sich die Erzbischöflichen ziemlich überhastet zurückgezogen. Ich denke, es wird jetzt einige Zeit Ruhe herrschen.«
    »Dann würde ich heute Mittag gerne zum Rhein hinuntergehen und nachdenken.«
    »Nimm Trine mit, auch sie hat einen Tag Ruhe verdient.«
    »Ja, gerne.«
    Wie in den letzten Tagen so häufig, lungerte Pitter in der Nähe herum und kam mit einem diensteifrigen Lächeln auf dem mageren Bubengesicht auf sie zu, als sie nach ihm rief.
    »Habt Ihr etwas zu tun für mich? Es ist wenig los, seit sich die Söldner vor der Stadt herumtreiben. Keine Pilger, keine Reisenden…«
    »Und du hast Hunger!«
    »Klar!«
    »Dann nimm dies und lauf zu Aziza. Sie möchte möglichst bald hierher kommen.«
    »Die maurische Hure soll zu den Beginen kommen? Werdet Ihr sie bessern?«
    »Sie ist keine Maurin, du Schlingel. Und wenn hier einer der Besserung bedarf, dann bist du das!«
    Almut machte den Versuch, Pitter am Ohr zu ziehen, doch gewandt wie eine Schlange entschlüpfte er ihr.
    »Ich hol die edle Dame!«, rief er im Fortlaufen, und Almut grinste.
    Pitter erfüllte seine Pflicht rasch und gründlich. Almut hielt sich mit Trine bei Elsa auf, wo sie einige am Morgen geschnittene Kräuter zum Trocknen zu Bündeln zusammenband, als ihre Schwester gemeldet wurde.
    »Oh, Aziza, danke, dass du gekommen bist. Aber…«
    »Dieser Junge, den du mir da als Boten schickst, frisst mir noch die Haare vom Kopf, Schwester!«, klagte Aziza. »Da bleiben einem nur noch die einfachsten Lumpen, um die schiere Blöße zu bedecken. Ich hoffe, ich bin dem Anlass entsprechend gewandet?«
    Almut staunte noch immer über die Verwandlung. Aziza trug ein strenges, weißes Gebände, das nichts von ihren üppigen schwarzen Haaren erahnen ließ, und ein dunkelblaues Obergewand, das außer einigen zierlichen Stickereien an den Armausschnitten und einem weichen, kupferbeschlagenen Ledergürtel keinen Schmuck aufwies. Sogar das weiße Unterkleid wirkte züchtig, und die Ärmel bedeckten in weiten
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