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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel
Autoren: Andrea Schacht
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noch Konkurrenz machen!«
    »Dem Dombaumeister. Kennt Ihr ihn?«
    »Schon von Kindertagen an. Auch Baumeisterstöchter haben so hier und da ihre Beziehungen!«
    »Ach ja, Beziehungen…Übrigens wird Bruder Johannes, wenn er denn sein Opfer wieder aufsuchen und befragen möchte, eine herbe Enttäuschung erleben. Wie ich hörte, ist Tilmann heute Morgen auf freien Fuß gesetzt worden und hat sich spornstreichs unter den Schutz seines Vetters Friedrich begeben.«
    »Glaubt mir, Pater, auch wenn ich vor dem geistlichen Stand tiefe Ehrfurcht empfinde…«
    »So?«
    »Ja, aber selbstverständlich, Pater. Nur, wie gesagt, mein Mitgefühl mit Bruder Johannes’ Enttäuschung hält sich in durchaus erträglichen Grenzen.«
    »Spitzzüngiges Weib!«
    »Eine Ketzerin, eine aufsässige Begine, deren unbotmäßiges Verhalten Schande und Gefahr über die ihren gebracht hat. Ich weiß, und ich werde nicht nachlassen in dem Bemühen, mich zu bessern.« Und mit einem Schulterzucken fügte sie hinzu: »Wie ich es schon seit Jahren versuche.«
    Pater Ivo schwieg dazu und hielt die Augen geschlossen. Almut wollte fast glauben, ihn hätte die Müdigkeit übermannt und er sei in der Wärme des Nachmittags eingeschlafen, doch plötzlich fragte er sie: »Ihr seid eine erstaunliche Frau. Sagt, was hat Euch bewogen, das Leben einer Begine zu führen?«
    Lange atmete Almut ein und faltete dann die Hände im Schoß.
    »Verzeiht, mich überkam das Laster der Neugier. Ihr müsst mir nicht antworten.«
    »Ich weiß, Pater. Dennoch werde ich es tun. Euch zuliebe. Ich wurde Begine, weil mir dieses Leben eine Form der Freiheit gibt, Pater, die ich zuvor nicht gefunden habe.«
    Er sah sie an, das Sonnenlicht fiel direkt auf sein Gesicht, und in seinen klaren grauen Augen lag eine seltene Wärme.
    »Ein Kloster kam aber nicht für Euch in Frage?«
    »Nein, Pater. Für das gottgeweihte Leben bin ich nicht geschaffen. Ich glaube, dass ich mit meiner Hände Arbeit mehr für meine Nächsten tun kann als mit frommen Gebeten. Denkt Ihr jetzt schlecht von mir?«
    »Nein, Kind, ich denke nicht schlecht von Euch. Im Gegenteil, ich bewundere Euch dafür, dass Ihr die Euch gegebenen Gaben und den Verstand verwendet, um diese Welt ein bisschen gerechter zu machen. Und dass Ihr Euch die Liebe in Eurem Herzen bewahrt habt. Und nun streckt Eure Hand aus, hier ist etwas, das Euch gehört.«
    Almut folgte etwas verwirrt und hielt plötzlich das kleine Kreuz in den Fingern, das sie am Vortag bei de Lipa abgelegt hatte, um zu zeigen, wie schwarz es geworden war. Es schimmerte silbern im Sonnenlicht.
    »Wie habt Ihr… Also, es war doch völlig schwarz?«
    »Meister Krudener ist nicht nur ein Künstler in der Herstellung von Süßigkeiten, sondern versteht sich auch auf die Behandlung von Metallen. Er hat es – fragt mich besser nicht wie – gereinigt.«
    »Danke, Pater. Ihr seid noch einmal bei ihm gewesen, obwohl er Euch nicht sehr freundlich gesonnen ist.«
    »Unter dem Vorwand, Euch zu dienen, fand ich gnädige Aufnahme, Begine. Ihr habt ihn tief beeindruckt.«
    Trine war neugierig näher gekommen und half Almut, das Kettchen wieder um den Hals zu legen. Sie ließ das Kreuz in ihrem Halsausschnitt verschwinden. Trine aber lächelte Pater Ivo an und machte eine dankende Geste. Er erwiderte ihr Zeichen und schüttelte dann den Kopf.
    »Ich hätte schon früher darauf kommen können, Begine. Dieses Kind kann sich mit Gesten verständigen, und genau das tun wir in den Stunden des Tages, in denen uns das Schweigen auferlegt ist, ebenfalls. Jeder Novize muss diese Zeichensprache erlernen, und vielleicht solltet Ihr auch versuchen, sie Euch anzueignen.«
    Almut sah ihn erfreut an. »Das ist eine sehr gute Idee. Könnt Ihr uns diese Zeichensprache beibringen, Pater Ivo?«
    »Nein, Begine. Ich werde Euch so bald nicht wiedersehen. Mich erwarten viele vernachlässigte Pflichten. Aber ich will unsere Schwestern in St. Machabäer wissen lassen, dass Ihr mit dem taubstummen Mädchen vorbeikommt, um die stille Sprache zu lernen.«
    Zustimmend nickte Almut und sah zum Rhein hinunter. Sonnensplitter funkelten auf den kleinen Wellen, und der weiße Schwan zog wieder majestätisch am Ufer entlang. Doch sie erfreute sich nicht an seinem Anblick.
    »Was ist, Begine?«
    »Nichts, Pater. Ich denke, mein Ferientag ist vorüber.« Sie stand langsam auf und wies Trine auf den nun leeren Korb. »Ich werde nach Hause gehen.«
    »Darf ich Euch auf diesem Weg begleiten, Begine?«
    »Ja, Pater
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