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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne
Autoren: Nina Blazon
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hörte, war das Weinen einer sehr alten Frau.
    *
    Wenn ich jemals geträumt hatte, dann in diesem Moment. Es musste ein Traum sein, denn Amad war bei mir, er hielt mich in seinen Armen und auf meinen Lippen glomm immer noch dieser dunkle, glühende Kuss zwischen zwei Wirklichkeiten, der mich zittrig und völlig benommen zurückgelassen hatte. Aber es war kein Traum. Unter meinen Fingerspitzen fühlte ich muskulöse Schultern und nasses, glattes Haar und an meinen Lippen einen warmen Atem, der mich erschauern ließ. Ich umschlang Amad und drängte mich an ihn, vergrub meine Nase an seinem Hals, wühlte meine Finger in sein Haar, und er zog mich so fest an sich, dass ich nur noch einen einzigen Herzschlag wahrnahm – unseren. Irgendwo in der Ferne tauchte nach und nach wieder eine Welt auf. Eisige Kälte, Lärm und das Beben von brechendem Stein. Amad legte sich halb über mich und schützte meinen Körper mit seinem und mein Gesicht mit seinen Händen. Der Boden erzitterte, um uns herum donnerte und grollte es. In der Ferne schrie jemand gellend auf und verstummte abrupt. Rufe vermischten sich mit Wasserrauschen, und als ich blinzelte, leuchtete um mich herum das letzte verlöschende Blau auf und verschwand. Zurück blieb nur Aquamarin, in dem ich ganz versank. Heute hätte ich schwören können, dass Amads Augen einen Sternenglanz hatten.
    »Ich habe dich wieder!« Meine Stimme entfachte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Und er wäre nicht mein Amad gewesen, wenn er nicht sogar jetzt spöttisch die Braue hochgezogen hätte. »Und es sieht dir ähnlich, dich dafür mit einer ganzen Stadt anzulegen.«
    »Niemand nimmt mir meinen Liebsten weg!«
    »Ich gehöre dir? Jetzt redest du wie eine Eroberin.«
    »Gewöhn dich daran. Was ich einmal wiedergefunden habe, lasse ich nie wieder los. Egal in welcher Wirklichkeit!«
    Sein Lächeln war schattig und schön. Und als er mein Gesicht in seine Hände nahm, war es der erste Kuss, der nur uns beiden gehörte. Amad hatte recht, wir waren wie Sonne und Mond, aber hier, Haut an Haut, bekam die Nacht einen Sonnenglanz und die Kälte des Wassers wurde zu einem warmen Glühen, das mich ganz durchrieselte. Die Zeit verschwamm und es gab nur noch den Duft von Feuern und Wüstenwind und seine Lippen, die sich an meine drängten, seine Hände und das endlose Fallen ohne die Angst, den Halt zu verlieren. Und für keine Zweiheit dieser Welt hätte ich diese Nähe eingetauscht. Atemlos tauchten wir nach einer Ewigkeit wieder auf.
    »Du hast gewusst, dass ich zurückkehre, nicht wahr?«, sagte ich leise. »Nur deshalb hast du mir beigebracht, mit den Augen des Jägers zu sehen. Damit ich dein Herz erkenne, an wen auch immer du gebunden bist.«
    »Ich wusste es nicht, aber ich habe es gehofft.«
    »Obwohl du nie wieder einer Moreno vertrauen wolltest?«
    Amad zog meine Hand an seine Lippen und küsste meine Handfläche. »Ich habe Canda Blauhand vertraut. Sie lässt niemanden im Stich, dem sie einmal ihr Herz geschenkt hat. Und das ist keine Gabe. Das bist ganz allein du.«
    Nur widerwillig ließ ich es zu, dass sich die Welt wieder zwischen uns drängte. Steine brachen in der Nähe und die Kälte von Onywasser vermischte sich mit der Hitze von Wüstenwind. Als ich mich umsah, erschrak ich.
    Das, was einst eine Falle für einen Hinterhalt und später das Haus der Verwaisten gewesen war, bestand nur noch aus Trümmern. Die Wände aus Wasser hatten das Dach zum Einsturz gebracht, nicht einmal die Ringmauer hatte dem Druck dieser Veränderung standgehalten. Es war ein Wunder, dass die Schlafenden nicht erschlagen worden waren. Das Wasser hatte den brechenden Stein noch im Fallen an die Seiten des Raums gedrückt. Nachtwind strich über nasse Haut, eisige Wellen schlugen über meine Beine und versickerten irgendwo zwischen Trümmern. Dort, wo vor wenigen Augenblicken noch Gemäuer und ein Dach gewesen waren, hing ein schwerer, samtweicher Nachthimmel, bestickt mit Sternen.
    »Lass uns gehen«, sagte Amad. Ich nickte und wollte aufstehen, aber Amad hob mich hoch und trug mich zwischen den Trümmern zu einer Treppe. Sie war mit Steinbrocken übersät, aber nicht zerbrochen. Früher hatte sie in das Verließ unter Glas geführt.
    Um uns herum erhoben sich die letzten Medaskrieger aus ihrem hundertjährigen Gefängnis. Das Ende der Zweiheiten Ghans . Und das Ende von Ghan. Irgendwo in anderen Ländern fielen Manoas Kunden zurück in eine normale Existenz. Vielleicht wurden gerade Eroberungskriege
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