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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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ernst.
    »Sie können sich auf mich verlassen.«
    Simon Groom zog langsam an seiner Zigarre, bevor er weitersprach.
    »Es wirft ein seltsames Licht auf den Menschen, auf seine Ideale und sein Streben, daß seine Kenntnisse nie schneller zunehmen, als wenn er eine gefährliche Waffe erfindet. In England drückt sich unsere unbewußte Aversion gegen diesen Sachverhalt in der Ablehnung von neumodischen Dingen aus. Die Franzosen hingegen sind da ganz eindeutig. Sie sagen: ›Das Bessere ist der Feind des Guten.‹ Der Beispiele sind Legion. Nehmen Sie etwa das Flugzeug. Es wurde in dem einen Kriegsjahr 1915 weiter entwickelt als vorher in zehn Jahren. Die neuen Erfindungen, die den Chemikern auf der Suche nach noch zerstörerischeren Sprengstoffen und giftigeren Gasen gelungen sind, füllen ganze Lehrbücher. Ja selbst die Heilkunst hat einen großen Schritt nach vorn getan. Das ist, natürlich, sobald es sich um die Erhaltung menschlicher Arbeitskraft handelt, nicht bloß wünschenswert, sondern eine Notwendigkeit«, fügte er mit schwachem Lächeln hinzu.
    Der Professor runzelte die Stirn.
    »Worauf ich hinauswill«, fuhr Groom fort, »ist folgendes: Der Krieg, der von den Menschen Offensiv- und Defensivwaffen verlangt, ist wie eh und je der Vater vieler Erfindungen. Die Schlachtschiffe von gestern erzeugten die Linienschiffe von heute, und die Betonbunker der großen Schlachtfelder brachten das wundervolle, neue Gebäude hervor, das gerade jetzt im Norden Londons gebaut wird. Ausgehend von diesen Tatsachen frage ich Sie, Professor, wo liegt logischerweise das Feld für die Entwicklung einer neuen, nicht berechenbaren Kraft wie der der angewandten Atomenergie?«
    »Die Ideale der Wissenschaft sind konstruktiv, nicht destruktiv«, antwortete der Professor steif. »Die Wissenschaft wurde in der Vergangenheit auf das schamloseste ausgebeutet. Aber sie hat gelernt, sich zu schützen.«
    Simon Groom schüttelte den Kopf.
    »Nein, Professor, Sie irren sich. Solange Wissenschaftler Menschen sind, kann sich die Wissenschaft nicht schützen. Der Wunsch nach Vorherrschaft, der tief im Herzen eines jeden Menschen sitzt, verhindert das. Und gerade eben jetzt, während wir hier miteinander reden, geben die Ereignisse Ihnen Unrecht. Die erste Atombombe ist nämlich soeben fertiggestellt worden.«
    Von den verschiedensten Empfindungen, die durch das Gehirn des Professors jagten, als er das hörte, waren Schrecken und Mißtrauen am stärksten. Saß er hier einem Irrsinnigen gegenüber? Das schien die einzig mögliche Erklärung. Aber als er dann dem alten ruhigen Blick seines Gegenübers begegnete, begann er nachzudenken. Das Mißtrauen verschwand, aber der Schrecken verstärkte sich. Angenommen, es war wahr? Endlich lachte er.
    »Sie scheinen mir einen etwas makabren Humor zu haben, Sir.«
    »Ich habe erwartet, daß Sie lachen würden«, bemerkte der andere ruhig. »Aber halten Sie Ihr Urteil noch etwas zurück, Professor, und lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Welches Laboratorium käme Ihrer Meinung nach wohl für die Herstellung einer solchen Bombe in Frage? Ich meine natürlich von den technischen Möglichkeiten her, und nicht vom moralischen Gesichtspunkt aus.«
    Der Professor dachte einen Augenblick nach.
    »Nun«, antwortete er dann, »die Entwicklungen, die ich meinte, als ich im vorigen Jahr meine Erklärung abgab, konnten letztlich nur von einer oder zwei Quellen kommen. Es ist schwierig, einer bestimmten Institution den Vorrang zuzuweisen. Meines Wissens verfügen nur fünf Orte über ein für solche Experimente notwendiges hochkompliziertes und modernes Laboratorium, nämlich London, Chicago, Schenectady, Paris und Berlin. Sie können sich einen davon aussuchen.«
    Simon Groom sah verwirrt aus.
    »Schade, Professor, und ich hoffte, Sie könnten mir helfen. Dieses Ding wurde an keinem dieser Orte entwickelt. Wissen Sie, wo Zovgorod liegt? Nein? Zovgorod ist die Hauptstadt von Ixania, und ebendort wurden die Versuche, von denen ich sprach, durchgeführt.«
    Der Professor kicherte.
    »Mr. Groom«, sagte er, »Sie sind ein ausgezeichneter Schauspieler, aber Ihre Phantasie geht mit Ihnen durch. Allein die Herstellungskosten für die notwendigen Einrichtungen wären größer als der gesamte Haushalt von Ixanien.«
    Simon Groom schaute einen Moment verärgert drein.
    Dann sagte er in ernstem Ton: »Ich mache keine Witze, Professor. Zudem ist dies wohl kaum eine Angelegenheit, über die ich Witze reißen würde. Ihnen mag
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