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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss
Autoren: John Hart
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Gesicht. Ihr Blick verweilte bei den Nähten an meinem Haaransatz, und einen Moment lag, wurde ihr Gesichtsausdruck milder. »Ich hatte nicht gedacht, dass wir uns so wiedersehen würden.« Sie sah mir wieder in die Augen. »Wie dann?«
    »Anfangs habe ich mir ausgemalt, wie wir aufeinander zulaufen und uns heftig umarmen. Küsse und Entschuldigungen.« Sie zuckte die Achseln. »Nach ein paar Jahren ohne ein Wort habe ich mir etwas Aggressiveres vorgestellt. Geschrei. Ein paar schnelle Fußtritte vielleicht. Aber dich so zu sehen? Nein. Nicht uns beide allein im Dunkeln.« Sie deutete auf mein Gesicht. »Ich kann dich nicht mal ohrfeigen.«
    Ihr Lächeln versagte genauso. Wir hatten beide nicht vorausgesehen, dass es so kommen würde.
    »Warum bist du nicht reingekommen?«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich dachte, es würde mir schon einfallen.«
    »Und?«
    »Nichts.« Ich konnte nicht sofort antworten. Die Liebe stirbt mühsam, wenn überhaupt, und es gab nichts zu sagen, was in der fernen Vergangenheit jenes anderen Lebens nicht schon oft gesagt worden wäre. Als ich schließlich sprach, fiel es mir schwer. »Ich musste diesen Ort vergessen, Robin. Ich musste ihn von mir schieben.«
    »Nicht«, sagte sie, und ich erkannte ihren Zorn. Ich hatte lange genug mit meinem eigenen gelebt.
    »Und was jetzt?«, fragte ich.
    »Jetzt bringe ich dich nach Hause.«
    »Nicht zu meinem Vater.«
    Sie beugte sich vor, und ein Schimmer der alten Wärme erschien in ihren Augen. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. »Das würde ich dir nicht antun«, sagte sie. Wir gingen um ihren Wagen herum. »Ich bleibe nicht hier«, sagte ich über das Dach hinweg.
    »Nein«, sagte sie seufzend. »Natürlich nicht.«
    »Robin ...«
    »Steig ein, Adam.«
    Ich öffnete die Tür und ließ mich auf den Beifahrersitz sinken. Es war ein großer Wagen, ein Polizeiwagen. Ich sah die Funkgeräte und den Laptop, das Schrotgewehr am Armaturenbrett. Ich war völlig erledigt. Schmerzmittel. Erschöpfung. Der Sitz schien mich zu verschlucken, und ich schaute auf die dunklen Straßen hinaus, während Robin fuhr.
    »Keine tolle Heimkehr«, sagte Robin.
    »Hätte schlimmer kommen können.«
    Sie nickte, und ich spürte ihre kurzen Blicke auf mir, wenn die Straße geradeaus führte. »Es ist gut, dich zu sehen, Adam. Schwer, aber gut.« Wieder nickte sie, als müsse sie sich selbst überzeugen. »Ich war nicht sicher, ob es noch mal dazu käme.«
    »Ich auch nicht.«
    »Damit bleibt eine große Frage.«
    »Nämlich?« Ich kannte die Frage. Sie gefiel mir nur nicht.
    »Warum, Adam? Die Frage ist: warum? Fünf Jahre. Niemand hat ein Wort von dir gehört.«
    »Brauche ich einen Grund, um nach Hause zu kommen?«
    »Nichts passiert in einem Vakuum. Das solltest du besser wissen als die meisten.«
    »Das ist Polizeigerede. Manchmal gibt es keinen Grund.»
    »Das glaube ich nicht.« Ärger legte sich auf ihre Züge. Sie wartete, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Du brauchst es mir nicht zu erzählen«, sagte sie schließlich.
    Schweigen senkte sich zwischen uns, und der Wind pfiff um den Wagen. Die Reifen polterten über ein holpriges Stück Asphalt.
    »Hattest du vor, mich anzurufen?«, fragte sie.
    »Robin —«
    »Schon gut. Vergiss es.«
    Wieder eine Weile ohne Worte, eine Verlegenheit, die uns beide einschüchterte. »Warum warst du in diesem Motel?« Ich überlegte, wie viel ich ihr erzählen sollte, und kam zu dem Schluss, dass ich zuerst mit meinem Vater ins Reine kommen musste. Wenn ich es mit ihm nicht hinbekam, würde ich es auch mit ihr nicht schaffen. »Hast du eine Ahnung, wo Danny Faith sein könnte?«, fragte ich.
    Ich wechselte das Thema, und das wusste sie, aber sie ließ es mir durchgehen. »Du weißt von der Sache mit seiner Freundin?«, fragte sie. Ich nickte und zuckte die Achseln. »Er wäre nicht der erste miese Schurke, der sich vor einem Haftbefehl versteckt. Er wird schon wieder auftauchen. Leute wie er tun das meistens.«
    Ich sah sie an, sah die harten Konturen in ihrem Gesicht. »Du hast Danny nie leiden können.« Das war ein Vorwurf. tätigen »Er ist ein Verlierer«, sagte sie. »Ein Zocker und ein Säufer mit Ader, die so dick ist wie dein Arm. Wie hätte ich ihn mögen sollen? Er hat dich heruntergezogen, hat deine dunkle Seite gefördert. Kneipenschlägereien. Raufereien. Hat dich das Gute vergessen lassen, das du hattest.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich dachte, es
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