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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss
Autoren: John Hart
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schwebte, und dann war ich weg, als würde ich nie mehr zurückkommen.
    Ich erwachte mit einem erstickten Laut in der Kehle und dem Bild von Blut an einer Wand, einem dunklen Halbmond, der sich zum Boden hinunterzog. Ich hörte ein Hämmern; ich wusste nicht, wo ich war, und starrte mit weit aufgerissenen Augen im Zimmer herum. Vor den Beinen eines lädierten Stuhls wellte sich der dünne Teppichboden. Mattes Licht wagte sich kurz unter dem Rand des Vorhangs herein. Das Hämmern hörte auf.
    Jemand war an der Tür.
    »Wer ist da?« Meine Kehle war wund.
    »Zebulon Faith.«
    Dannys Vater, ein jähzorniger Mann, der viele Dinge besser kannte als die meisten Leute: das Innere des County-Gefängnisses zum Beispiel, Engstirnigkeit und die beste Methode, seinen halbwüchsigen Sohn zu verprügeln.
    »Moment«, rief ich.
    »Ich wollte Sie sprechen.«
    »Warten Sie.«
    Ich ging zum Waschbecken und spritzte mir Wasser ins Gesicht, um den Albtraum zu vertreiben. Im Spiegel sah ich abgespannt aus, älter als meine achtundzwanzig Jahre. Auf dem Weg zur Tür trocknete ich mich ab; mein Blutkreislauf kam wieder in Gang, und ich öffnete. Die Sonne stand tief am Himmel. Spätnachmittag. Das Gesicht des Alten sah heiß und spröde aus.
    »Hallo, Mr. Faith. Ist lange her.«
    Er war im Grunde unverändert — ein bisschen weiter verschlissen, aber noch genauso unsympathisch. Verlebte Augen betrachteten mein Gesicht, und seine Lippen verzogen sich unter dem stumpfen Schnurrbart. Bei diesem Lächeln bekam ich Gänsehaut.
    »Du siehst unverändert aus«, stellte er fest. »Ich dachte, mit der Zeit verschwindet der hübsche Bengel ein bisschen aus deinem Gesicht.«
    Ich schluckte meinen Abscheu herunter. »Ich wollte zu Dannys.«
    Seine nächsten Worte kamen langsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Als Manny sagte, Adam Chase ist da, hab ich ihm nicht geglaubt. Ich habe gesagt, nie im Leben steigt Adam Chase hier ab. Nicht, solange diese große alte Villa mit seiner ganzen Familie da unten am Fluss steht. Nicht bei all dem Geld der Familie Chase. Aber die Dinge ändern sich, nehme ich an, und du bist da.« Er senkte das Kinn, und fauliger Atem wehte mir entgegen. »Ich hätte nicht gedacht, dass du den Mut hast zurückzukommen.«
    Ich hielt meinen plötzlichen Ärger im Zaum. »Wegen Danny«, sagte ich.
    Er wedelte meine Worte beiseite, als seien sie ihm lästig. »Der sitzt irgendwo in Florida am Strand. Der kleine Scheißer. Danny geht's gut.« Er verstummte; das Thema Danny war mit beiläufiger Endgültigkeit erledigt. Eine ganze Weile starrte er mich nur an. »Heiliger Strohsack.« Er schüttelte den Kopf. »Adam Chase. In meinem Laden.«
    Ich ließ meine Schultern rollen. »Ein Laden ist so gut wie der andere.« Der Alte lachte grausam. »Dieses Motel ist eine Rattenfalle. Es saugt mir das Leben aus dem Leib.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Bist du hier, um mit deinem Vater zu reden?« Ein Glänzen trat in seine Augen.
    »Ich hatte vor, ihn zu besuchen.«
    »Das meine ich nicht. Bist du hier, um mit ihm zu reden? Ich meine, vor fünf Jahren warst du der Kronprinz von Rowan County .« Er grinste verächtlich. »Dann hattest du ein bisschen Ärger und warst auf und davon. Soweit ich weiß, bist du nie wieder hier gewesen. Nach all der Zeit muss es ja einen Grund geben, und diesen stolzen, sturen Hundesohn zur Vernunft zu bringen ist der beste, der mir einfällt.«
    »Wenn Sie etwas zu sagen haben, Mr. Faith, warum sagen Sie es dann nicht einfach?«
    Er trat einen Schritt näher heran und brachte den Geruch von altem Schweiß mit. Seine Augen funkelten hart und grau über der Säufernase, und seine Stimme wurde dünn. »Mach mir nicht den Klugscheißer, Adam. Ich kannte dich, als du noch genauso ein Bengel mit Scheiße im Hirn warst wie mein Danny, und als ihr beide zusammen nicht genug Grips hattet, um mit der Schaufel ein Loch zu graben. Ich hab dich betrunken gesehen, und ich hab dich blutend in der Bar auf dem Boden liegen sehen.« Er musterte mich von Kopf bis Fuß. »Du hast ein feines Auto, und du riechst nach Großstadt, aber du siehst nicht besser aus als alle andern. Für mich jedenfalls nicht. Und du kannst deinem Alten ruhig sagen, dass ich das gesagt hab. Sag ihm, allmählich gehen ihm die Freunde aus.«
    »Ich glaube, Ihr Ton gefällt mir nicht.«
    »Ich hab versucht, höflich zu sein, aber ihr Chases ändert euch nie. Ihr bildet euch ein, ihr wärt so viel besser als alle andern hier, nur weil ihr so viel Land
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