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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss
Autoren: John Hart
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Schultern veränderten ihren Winkel. »Es ist größer geworden, als ich deine Sachen hinausgeworfen habe.«
    »Du hättest mitkommen können, Robin. Es ist nicht so, dass ich dich nicht gefragt hätte.«
    »Lass uns nicht noch mal davon anfangen«, sagte sie.
    Ich setzte mich aufs Bett und zog die Schuhe aus. Das Bücken tat weh, aber sie half mir nicht. Ich schaute mir die Fotos im Zimmer an und sah eins von mir auf dem Nachttisch. Es füllte einen kleinen Silberrahmen aus, und ich lächelte darauf. Ich wollte es in die Hand nehmen, aber Robin war mit zwei Schritten durch das Zimmer gekommen, nahm es wortlos vom Tisch, drehte es um und legte es in eine Schublade. Als sie sich abwandte, dachte ich, sie wollte gehen, doch sie blieb in der Tür stehen.
    »Geh ins Bett«, sagte sie, und etwas zitterte in ihrer Stimme. Ich sah, dass sie ihre Schlüssel noch in der Hand hielt.
    »Gehst du noch mal weg?«
    »Ich will mich um deinen Wagen kümmern. Er sollte nicht über Nacht da draußen stehen.«
    »Machst du dir Sorgen wegen Faith?«
    Sie nickte. »Möglich ist alles. Geh ins Bett.«
    Es gab noch mehr zu sagen, aber wir wussten nicht, wie wir es sagen sollten. Also zog ich mich aus und kroch unter ihre Decke; ich dachte an das Leben, das wir gehabt hatten, und daran, wie es zu Ende gegangen war. Sie hätte mitkommen können. Das sagte ich mir, und ich wiederholte es, bis der Schlaf mich übermannte.
    Ich schlief tief, aber irgendwann wachte ich auf. Robin stand vor mir, mit offenen Haaren und leuchtenden Augen und sah aus, als könnte sie sich jeden Augenblick auflösen. »Du träumst«, flüsterte sie, und vielleicht tat ich es auch. Ich ließ mich von der Dunkelheit hinabziehen, als Robin meinen Namen rief, und jagte einem Paar Augen nach, so hell und nass wie zwei Zehn-Cent-Münzen in einem Bachbett.
    Als ich aufwachte, war es kalt und grau. Ich setzte die Füße auf den Boden. An meinem Hemd war Blut, also ließ ich es liegen. Aber die Hose war okay. Robin saß am Küchentisch, als ich hereinkam. Sie starrte auf die verrosteten Gitter vor den Fenstern der Waffenhandlung hinunter. Der Geruch der Dusche hing noch an ihr. Sie trug Jeans und eine hellblaue Bluse mit umgeschlagenen Manschetten. Ein Kaffeebecher dampfte vor ihr.
    »Guten Morgen.« Ich suchte ihre Augen und dachte an den Traum.
    Sie betrachtete mein Gesicht und meinen zerschlagenen Oberkörper. »Ich habe Percocet, falls du welches brauchst. Da ist Kaffee. Bagels, wenn du willst.«
    Die Stimme war mir verschlossen. Genau wie die Augen.
    Ich setzte mich ihr gegenüber. Das Licht fiel hart auf ihr Gesicht. Sie war noch keine neunundzwanzig, aber sie sah älter aus. Dies Lachfalten waren verschwunden, ihr Gesicht war schmaler, und die einstmals vollen Lippen waren zusammengepresst und bleich. Wie viel von dieser Veränderung war fünf weiteren Dienstjahren als Cop zuzuschreiben? Und wie viel mir?
    »Gut geschlafen ?«, fragte sie.
    Ich zuckte die Achseln. »Seltsame Träume.«
    Sie schaute weg, und ich wusste, dass es kein Traum gewesen war, als ich sie gesehen hatte. Sie hatte mich im Schlaf beobachtet und leise geweint.
    »Ich hab mich aufs Sofa gelegt«, erklärte sie. »Bin schon seit ein paar Stunden auf. Ich bin's nicht gewohnt, über Nacht jemanden hier zu haben.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Wirklich?« Die Nebelschleier in ihren Augen lichteten sich.
    »Ja.«
    Sie musterte mich über den Rand ihres Kaffeebechers hinweg, Zweifel im Blick. »Dein Wagen steht draußen«, sagte sie schließlich. »Schlüssel liegt auf der Theke. Du kannst hierbleiben, solange du möchtest. Schlaf ein bisschen. Es gibt Kabelfernsehen und ein paar anständige Bücher.«
    »Du gehst?«, fragte ich.
    »Die Gottlosen haben nicht Frieden, spricht der Herr«, sagte sie, aber sie erhob sich nicht. Ich stand auf und goss mir einen Becher Kaffee ein. »Ich war gestern Abend bei deinem Vater.« Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag in den Rücken. Ich schwieg, konnte mich nicht umdrehen, wollte ihr nicht zeigen, was ihre Worte mir antaten. »Nachdem ich deinen Wagen geholt hatte, bin ich hinaus zur Farm gefahren und habe auf der Veranda mit ihm gesprochen.«
    »Ach ja ?« Ich bemühte mich, meine Bestürzung nicht durchklingen zu lassen. Das hätte sie nicht tun sollen. Aber ich sah die beiden vor mir dort auf der Veranda — die ferne Windung des dunklen Wassers und den Pfosten, an den mein Vater sich gern lehnte, wenn er dort hinüber schaute.
    Robin spürte meine Verstimmung.
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