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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds
Autoren: Rosa Zapato
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regelmäßig in die Stadt geströmt, um ihre Waren anzubieten. Ich hatte mich nicht sattsehen können an bestickten Huipils, so farbenfroh wie ein Blumengarten, an Tonfiguren und kostbaren Schmuckstücken, die hier auf zahlungskräftige Abnehmer mit erlesenem Geschmack warteten. Nun scheint die Stadt fast ausgestorben. Auf dem Ballspielplatz hinter dem Palast, wo Kriegsgefangene gegeneinander antraten, bevor sie den Göttern geopfert wurden, haben die Pflanzen des Waldes bereits ihre grünen Finger ausgestreckt, um ihn wieder für sich zu beanspruchen. Bis auf die engsten Bediensteten sind alle einfachen Leute in den Dschungel geflohen, um den Tonina nicht in die Hände zu fallen. Die Edlen des Landes besuchen uns nicht mehr, denn es hat sich herumgesprochen, dass eine seltsame Krankheit die Einwohner Lakamha’s dahinrafft. Aber die Priester sind geblieben, ich sah sie gemeinsam die Stufen des Tempels hinabsteigen, mit ihren flach gedrückten Stirnknochen und schweren Schmuckketten an Hälsen, Armen und Fußknöcheln. Ihr Haar war zu komplizierten Gebilden geformt, in denen bunte Federn leuchteten. Die schlichten, weißen Lendenschurze und Hemden bildeten einen erstaunlichen Gegensatz zu all dieser Pracht. Sobald der Oberpriester zu sprechen begann, erhaschte ich einen Blick auf seine spitz geschliffenen Zähne, die an einen Jaguar erinnern.
    Ich weiß noch sehr gut, wie beeindruckt ich als Kind vom Anblick der Priester war. Damals schienen sie mir gottgleiche Wesen, allein aufgrund ihrer auffälligen Erscheinung. Wie viel Mühe sie aufwenden, um ebendiese Wirkung zu erzielen, das habe ich erst von Ahmok erfahren.
    Der Stadttempel vor dem Palast gehört zu den ältesten Bauwerken von Lakamha’, und der größte aller Herrscher, Pakal I. ist in seinen Tiefen begraben. Gleich daneben stehen zwei Tempel, die den Totengöttern geweiht sind. In dem mittleren Gebäude dieser Anlage ist die höchste der Totenpriesterinnen beigesetzt worden, deren Namen niemand mehr zu nennen wagt. Nur wenn der Augenblick gekommen ist, da wir in das Reich ihrer Götter eingehen, flüstern wir ihn leise. Es gibt noch drei weitere, größere heilige Bauten, jeweils einem der Stadtgötter geweiht, jenseits des kleinen Wasserlaufs, der Lakamha’ in zwei Hälften teilt. Meist fanden die wichtigen Zeremonien dort statt, doch nun hatte man es eilig und wollte alle Götter gleichzeitig ehren, damit sie auf der Reise eine schützende Hand über den großen Herrscher und seine Priester hielten. Ich selbst mochte diesen kleinen Stadttempel stets am liebsten, denn mir gefielen die zahlreichen, feinen Inschriften an seinen Wänden, obwohl ich sie nicht zu entziffern vermochte. Sie erzählen von den großen Herrschern Lakamha’s, wie man mir nach meiner Ankunft erklärte. Wir stiegen die Stufen zu den zwei kleineren Tempeln der Totengötter hinauf und verneigten uns, um ihren Segen für die bevorstehende Zeremonie zu erflehen. Mir fiel das Totenkopfrelief unten am Pfeiler des rechten Gebäudes auf. Unser Leben in dieser Welt ist nur ein Traum, und wenn er zu Ende geht, kehren wir in die wirkliche Welt zurück.
    Die Priester schritten weiter, vorbei am Grabmal der hohen Priesterin zum Stadttempel. Ich folgte ihnen, ohne weiter nachzudenken, obwohl eine Ahnung in mir aufstieg, der unmittelbar der Geschmack des Kakaw auf meiner Zunge folgte, als wolle mein Magen dieses Getränk nicht verdauen.
    Ein paar Lastenträger schleppten einen Käfig die Stufen hoch. Reglose Gestalten saßen darin, zwei Jünglinge und eine Frau, die man in der fast ausgestorbenen Stadt noch aufgetrieben hatte. Plötzlich überkam mich Zorn auf diese dummen Menschen, denen es nicht gelungen war, rechtzeitig zu fliehen. Ihre Arme und Gesichter waren schwarz bemalt worden, und sie trugen weiße Gewänder wie die Priester. Einst war es eine Ehre gewesen, den Göttern geopfert zu werden, und die Wahl war auf die Sprösslinge der höchsten Adelsfamilien gefallen. Dann sorgten ebenjene Adelsfamilien dafür, dass Kriegsgefangene anstatt ihrer Söhne und Töchter starben. Sobald uns die Kriegsgefangenen ausgingen, wurden sie durch Diener und Sklaven ersetzt, die als schwierig galten. Nun hatten die Priester einfach jene Menschen genommen, derer sie noch habhaft werden konnten. An dem stumpfen Blick der Gefangenen erkannte ich, dass sie bereits betäubt worden waren, damit das Ritual ohne Widerstand vollzogen werden konnte.
    Auch Ahmok war damals nicht mehr bei Sinnen gewesen. Speichel war
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