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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds
Autoren: Rosa Zapato
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ihrer Herrin über persönliche Dinge plaudert, obwohl dies natürlich ständig geschieht. Aber meine Ix Chel ist sehr gewissenhaft, so gewissenhaft, dass sie mir manchmal fast beschränkt erscheint.
    »Mein Gatte starb, weil es der Wunsch der drei großen Götter war. Sein Tod bewahrte die Stadt vor Unheil«, erklärte sie, ohne mich anzusehen. Ihre Stimme verriet keinerlei Gefühl. Ich weiß bis zum heutigen Tage nicht, ob sie mir dankbar dafür war, dass ich sie mit einem so klugen und gut aussehenden Mann wie Ahmok verheiratete. Sie nahm ihn hin, so wie sie alles hinnahm, was die Götter ihr vorsetzten, klaglos und ohne viele Worte. Sie gebar ein Kind nach dem anderen, während sich in meinem eigenen Leib kein Leben regte, doch diese Schwangerschaften ließen ihr Gesicht nicht erstrahlen, wie ich es von anderen Frauen kannte.
    Ahmok war ein Sklave meines Vaters, kam in meinem Gefolge nach Lakamha’. Ich hatte ihn von Kindheit an gekannt, er war frecher und mutiger gewesen als die anderen Diener, sodass ich von ihm lernte, im Garten Eidechsen zu fangen und in die Wände des Palastes heimlich Schriftzeichen zu ritzen, die wir beide nur nachahmten, ohne ihre Bedeutung zu kennen. Niemand außer den Priestern darf die Kunst des Schreibens lernen. Ahmok missfiel meinem Gemahl vom ersten Moment an, vielleicht lag es an der Wachheit seines Blicks, dem Stolz in seiner aufrechten Haltung. Er verbot seine Anwesenheit in den Frauengemächern. Stattdessen wurde Ahmok dem Neffen meines Gemahls, dem obersten Priester, als Diener zugeteilt, was ihn für immer aus meinem Leben entfernte. Ich gab ihm meine Magd zur Frau, dadurch konnte eine Verbindung zwischen uns bestehen bleiben. Leider erwies sich Ix Chel nicht als redselig, verriet mit keinem Wort, wie ihr das Eheleben gefiel, und ich musste vorsichtig sein, nicht durch allzu deutliche Fragen meine geheimen Wünsche zu verraten. Niemand durfte wissen, dass ich bereitwillig all meine Juwelen und prächtigen Huipils fortgegeben hätte, um eine einzige Nacht lang neben Ahmok in einer Hütte zu liegen. Der Wille der Götter ließ mich Abend für Abend darauf warten, dass Janaab Pakal mich wieder zu sich rief. Unfruchtbar blieb ich trotzdem, ebenso wie alle Nebenfrauen hier im Palast.
    Falls Ix Chel mein Geheimnis durchschaute, so verriet sie mich nicht. Als ich sie eines Tages bat, um des Wohles von Lakamha’ willen Ahmok in mein Gemach zu schmuggeln, denn er hatte mit ihr bereits fünf Kinder gezeugt, da flehte sie mich weinend an, nicht das Leben ihrer ganzen Familie zu gefährden.
    Ich drängte sie nicht, versuchte nicht, ihr zu drohen, denn ich wusste, dass Ahmok mich für ein solches Verhalten verachtet hätte.
    »Du solltest die Kette tragen, Herrin«, sagte Ix Chel. Meine Magd hat ein besonderes Talent, mich vor sinnlosen Grübeleien zu bewahren. Sie holte das längst vergessene Schmuckstück aus einer Kiste. Die schweren Edelsteine drückten gegen mein Schlüsselbein. Ich gab mir nicht die Mühe, sie anzusehen, denn sie sind unwichtig geworden.
    Janaab Pakal hatte mir diese Kette aus Malachit, Onyx und Jade geschenkt, als ich vor einer Ewigkeit als junge Braut in Lakamha’ eingetroffen war. Damals gefiel ich ihm. Er hoffte, ich würde einen Erben gebären, und zudem versprach unsere Vermählung ihm einen mächtigen Verbündeten, den Herrn über Tikal, meinen Vater, mit dessen Hilfe sich die angriffslustigen Heere der Tonina abwehren ließen. Nun fragte ich mich, ob er mir die Kette wieder abnehmen wird, wenn er mich mit ihr sieht. Der Erbe wurde nicht geboren. Mein Vater ist tot, mein Bruder, sein Nachfolger, hat sich mit den Tonina verbündet, um Tikal vor deren Angriff zu bewahren. Wir hingegen müssen fliehen, da sie bereits im Umland lauern.
    Ix Chel begleitete mich aus meinem Gemach durch den Gang, wo die anderen Nebenfrauen hausten, zu den Stufen, die aus dem Palast führten. Vor mir glänzten die mächtigen Bauten Lakamha’s in der Sonne. Der Turm des Palastes ragte in meinem Rücken empor, und ich sah hinauf zum Stadttempel, der auf einem Sockel aus breiten Stufen gebaut ist. Bei meiner Ankunft in Lakamha’ hatte die Pracht dieser Stadt mich bezaubert. Ich erinnere mich an viele vornehme Herrschaften, die zwischen den Bauten herumspazierten, an die kunstvollen Bemalungen ihrer Körper und jene schweren Schmucksteine, die an Hälsen und Ohrläppchen baumelten. Tänzer und Sänger hatten alte Legenden zum Leben erweckt. Die geschicktesten Handwerker waren
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