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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Autoren: Stephan Russbült
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Raubvogels auf den Halbling zeigten. Noch bevor Milo zurückspringen konnte, wurden die Stangen des Käfigs auseinandergebogen, als ob ein Troll seine Faust hineingeschlagen hätte. Milo wurde von einer Kraft gepackt, die ihm die Brust zusammenschnürte und ihn in die Luft hob. Dann schwebte er aus dem Käfig heraus. Hinter sich hörte er, wie die Stangen sich abermals quietschend wieder verbogen. Er warf den Kopf zurück und sah zu Rubinia. Seine Tante stand am Gitter des Käfigs undreckte die Arme nach ihm. Die Stangen sahen aus, als hätte ein Zwerg mit einem Hammer darauf eingedroschen, doch sie waren so weit zurückgebogen, dass seine Tante nicht hindurchpasste.
    »Milo!«, rief sie flehend hinter ihm her.
    Es half nichts. Milo schwebte unaufhaltsam auf den Magier zu. Othman lenkte ihn mit seinem Zauber zu sich auf den Balkon hinaus. Er hielt ihn auf zwei Armlängen Abstand. Vor Zorn bebend, funkelte ihn der Magier an.
    »Sieh dir an, was ich geschaffen habe. Und du dummer Junge denkst, du könntest mich mit deinen Albernheiten aufhalten.«
    Milo wurde einen weiteren Schritt in die Höhe gehoben. Jetzt waren seine Füße fast auf Augenhöhe des Magiers. Die Kraft, mit der Othman ihn hielt, drohte, seine Rippen brechen zu lassen. Milo rang nach Luft und schaute entsetzt auf das Schauspiel, das sich weit unter ihm auf der Lichtung um den Krähenturm herum abspielte.
    Hunderte von langsam schlurfenden Gestalten tummelten sich dort. Selbst von hoch oben erkannte Milo, dass es keine normalen Bürger Graumarks waren, die auf den Turm zuhielten. Vielen fehlten irgendwelche Gliedmaßen, zumeist Arme, aber er sah auch vereinzelt welche, die auf einem oder sogar zwei Fußstümpfen über die Lichtung humpelten. Andere unterschieden sich hingegen nur durch ihren langsamen hölzernen Gang von Lebenden. Männer in Kettenhemden mit Breitschwertern und Schild, zwei Zwerge, bewaffnet mit Spitzhacken, und ein junger Edelmann, gekleidet in blaue Pluderhose und weißes Hemd, das einen großen dunkelroten Fleck auf der Brust aufwies. Das war also die Armee der Ahnen, von der Xumita gesprochen hatte, und die das Land zum Untergang bringen sollte. Eine Armee, die mit jedem Feind, den sie tötete, wuchs. Schon bald würde sie nicht mehr zum größten Teil aus verwesenden Überresten bestehen, sondern mit jedem gefallenen Krieger einen vollwertigen Kämpfer dazubekommen.
    Milo erschauderte vor dem Anblick. Panik lähmte ihn. Er konnte nur noch daran denken, dass er auf keinen Fall so endenwollte   – als willenloser Untoter, kontrolliert von einem größenwahnsinnigen Magier. Eine vage Ahnung davon, wie sein Tod aussehen würde, ließ seinen Blick zum Fundament des Krähenturmes wandern, zu der Stelle, an der er Aschgrau und Nelf vermutete. Er brauchte nicht lange nach ihnen zu suchen. Die beiden kleinen Körper lagen unten auf dem gepflasterten Vorhof, wo für den Winter das Brennholz aufgestapelt wurde. Aschgrau hatte es augenscheinlich die Knochen beim Aufprall zerschmettert. Arme und Beine zeigten alle in eine Richtung, und der kleine Rücken war in Hufeisenform verbogen. Gleich daneben lag Nelf. Er sah aus, als wenn er schliefe. Sein Gesicht zeigte nach oben, Arme und Beine lagen dich am Körper an. Nur um seinen Kopf hatte sich eine dunkle Lache gebildet.
    In Gedanken sah Milo sich neben ihnen liegen. Die Augen offen, nach oben auf den Balkon gerichtet   – wo sein zukünftiger Meister stand. Im Tode würde er ihm nichts mehr entgegenzusetzen haben.
    »Sieh sie dir an«, zischte Othman, der bemerkt zu haben schien, was in Milo vorging. »Du magst sie bedauern, aber im Grunde genommen sind sie erlöst. Erlöst von einem Leben voll Neid, Missgunst und Kummer. Sie wurden aus ihrem erbärmlichen Leben gerissen und sind nun nichts als leere Hüllen. Das Blut des Zweitgeborenen hat ihre toten Körper vergiftet. Sie waren geschwängert mit Verblendung, wie auch die Lebenden. Doch im Gegensatz zu ihnen wussten die Toten nichts damit anzufangen, weil ihre Köpfe leer waren von jedem Gedanken. Sie konnten sich nicht um eine alte Eiche streiten, die im Frühjahr keine Blätter bekam. Sie quälte kein alter Zwist, wie er zwischen Zwergen und Elfen bestand. Und sie fühlten sich nicht unterjocht von irgendeiner Obrigkeit. Aber wenn man es schafft, ihnen einen Gedanken einzuhauchen, sind sie wie besessen davon, und diese Besessenheit lässt sie aus ihren Gräbern steigen. Ich bin ihr Herr und Meister und die Stimme in ihrem Kopf. Jeden
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