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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Autoren: Stephan Russbült
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unten vor sich ging.
    Milo hielt es nicht mehr aus. Er sprang auf und stellte sich vorn an das Gitter des Käfigs. War er so weit gekommen, um jetzt mit anzusehen zu müssen, wie ein verblendeter Magier drohte, alles auszulöschen, was ihm etwas bedeutete? Er umklammerte die Stäbe, rüttelte an ihnen, versuchte, sie auseinanderzubiegen oder sie herauszureißen. Aber sie bewegten sich nicht um Haarbreite. Milo griff durch die Stäbe und packte das Schloss an der Außenseite. Es war groß und schwer, als wenn es dafür gemacht worden wäre, das Tor ins Unterreich zu verschließen.
    »Es wird eher durchrosten, als dass du es aufbrechen kannst«, sagte Rubinia resigniert.
    »Aber Halblinge sind äußerst fingerfertig. Die größten Diebe waren Halblinge. Wenn ich nur so etwas wie einen rostigen Nagel hätte.«
    »Aus Eichenblattstadt hat es noch niemand zu solch einem zweifelhaften Ruhm gebracht«, sagte Rubinia. »Die meisten sindfroh, wenn sie nach einem Besuch in der Kneipe ihre eigene Haustür noch mit dem Schlüssel aufbekommen.«
    »Aber wir können doch nicht einfach nur hier herumsitzen und zusehen«, schnaubte Milo, stieß seine Hände wütend in die Taschen des Umhangs und trat mit Wucht gegen das Gitter.
    »Aghr«, keuchte er, versuchte aber, seinen Schmerz herunterzuschlucken, um Aschgrau und Othman nicht auf sich aufmerksam zu machen.
    Er biss sich auf die Zähne und hüpfte auf einem Bein, bis er mit dem Rücken gegen das Gitter stieß. Er lehnte sich dagegen, setzte seinen Fuß auf das andere Knie, um sich die Blessuren anzusehen, doch als er die Hand aus der Tasche nahm, hielt er plötzlich inne. Dann streckte er Rubinia seine Faust entgegen und sagte: »Wenn ich ihn schon nicht aufhalten kann, verpasse ich ihm wenigstens einen Denkzettel.« Er öffnete seine Hand und präsentierte seiner Tante die Eichel, die er unter dem Weißrindenbaum gefunden hatte. Immer noch verwundert vom Gewicht der kleinen Frucht, ließ er sie in der Hand auf- und abhüpfen.
    »Was hast du vor?«, fragte Rubinia verunsichert.
    »Ich kann vielleicht keine Schlösser knacken«, erwiderte Milo, »aber es gibt in Eichenblattstadt niemand Besseren an der Schleuder als mich.«
    Milo tastete die Nähte seiner Oberbekleidung ab. Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Er zog seinen Mantel aus und legte ihn vor sich auf den Boden. Dann packte er die Versteifung am Kragen und riss sie mit einem Ruck heraus. Ein schneller Blick nach hinten versicherte ihm, dass Othman und Aschgrau nichts gehört hatten. Mit zufriedener Miene ließ er das Stück länglichen Stoff vor den Augen seiner Tante baumeln.
    »Wollen wir doch mal sehen, ob ich Othmans Traum nicht zum Platzen bringen kann«, flüsterte er.
    Er stand auf, nahm die Enden des Stoffes zwischen Zeigefinger und Daumen und brachte sich in Position. Dann legte er die Weißrindeneichel in die Schlaufe und begann sie herumzuschleudern. Gerade als er dachte, den richtigen Schwung erreicht zu haben, drehte sich Aschgrau mit einem hämischen Grinsen zu ihm um. Milo glitten vor Schreck die Enden der Schleuder aus den Fingern, und Eichel und Stoff sausten durch die Gitterstäbe davon.
    Noch im Flug wusste er, dass er seine Chance vertan hatte. Wie ein winziger Komet mit einem grünbraunen Schweif flog das Geschoss quer durch den Raum und verfehlte Othmans rotbraune Sonne um gut drei Fuß. Es fegte kurz über Aschgrau hinweg.
    Ob instinktiv oder aus Übermut, konnte Milo in dem Gesicht des Tunnelgnoms nicht ablesen, aber Aschgraus Hand schoss nach oben und packte die flatternden Enden der Schleuder. Das Gewicht der Eichel und die Wucht, mit der Milo sie geschleudert hatte, brachten den Gnom auf dem schmalen Sims aus dem Gleichgewicht. Mit rudernden Armen und auf einem Bein stehend, versuchte er, wieder in die Ausgangslage zu kommen   – vergebens. Aschgrau stürzte ohne einen Laut vom Balkon in die Tiefe.
    Othman schien alles aus dem Augenwinkel beobachtet zu haben. Langsam wandte er den Kopf und schaute einen Moment zu dem Fleck, wo eben noch sein Handlanger gestanden hatte. Dann drehte er sich wütend zu Milo und Rubinia um.
    »Ich hatte dich gewarnt, Milo Blaubeers!«, brüllte er. »Deine kindischen Versuche, mein Vorhaben zu durchkreuzen, werden dich teuer zu stehen kommen. Ich werde dir zeigen, was es heißt, sich mit mir anzulegen. Diesmal wird niemand seine schützenden Hände über dich halten.«
    Othman streckte seine Arme aus, wobei die Finger seiner Hände wie die Krallen eines
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