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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vielleicht drei Stunden ist es nicht wert, daß man intimer wird als über einige der üblichen Floskeln hinaus.
    Vor diesem Tisch blieb die auffallend schöne Frau nun stehen. Sie blickte den Mann im Smoking an und lächelte ihm zu. Dabei zeigte ihr Gesicht keinerlei Regung … die Augen blickten durch ihn hindurch, nicht ein Zucken ging über die Haut, nur der volle Mund lächelte, und die Lippen öffneten sich leicht.
    Der Mann im Smoking starrte sie verblüfft an, in den Augen Begeisterung, aber auch Erstaunen darüber, wie er zu der Ehre kam, von solch einer traumhaften Schönheit angelächelt zu werden. Er hob den Kopf höher, die vielen Falten in seinem Gesicht gerieten in Bewegung, er lachte zurück, noch etwas gehemmt und verwundert – und auch die Familie Rivère wartete sichtlich gespannt darauf, was nun kommen würde.
    Die wunderschöne Frau öffnete mit einer grazilen Handbewegung ihre goldene Paillettentasche, zog eine kleine, verchromte Pistole hervor, eines der verfluchten tödlichen Damenspielzeuge, wie man sie in Hongkong überall in den Seitenstraßen kaufen kann, und lächelte noch immer. Sie hob die Waffe, zielte auf die Stirn des Mannes und drückte zweimal ab.
    Wie von zwei Hammerschlägen getroffen, zuckte der Kopf zurück, zwei kleine Einschußlöcher über dem Nasenbein begannen schwach zu bluten … mit hängenden Armen, noch immer staunenden Augen und einem lächelnden Mund blieb der Mann auf dem Stuhl sitzen, gestützt auch durch die Seitenlehne, aber er begriff nichts mehr. Er war sofort tot.
    Mit einer ebenso anmutigen Bewegung wie zuvor steckte die Dame die Pistole in die Abendtasche zurück und drehte sich lächelnd um. Der Restaurantdirektor starrte sie mit offenem Mund an, vom Entsetzen sekundenlang gelähmt. Erst als Madame Rivère hell aufschrie, legte sich der Schock: Mit einem tigerhaften Satz warf er sich auf die elegante Dame. Aber dieses Kraftaufwandes bedurfte es keineswegs, denn die Dame wehrte sich überhaupt nicht. Sie ließ sich ohne weiteres abführen. Sie schwieg und lächelte, als man sie in den Vorraum der Küche schleppte und dort auf einen Hocker drückte.
    Im Restaurant bewies der Oberkellner ein erstaunliches Reaktionsvermögen: Er breitete ein großes Tischtuch über den Toten, verbeugte sich vor der Familie Rivère und sagte: »Darf ich den Herrschaften einen anderen Tisch anbieten?« Mit einer sicher ungewollten Kaltschnäuzigkeit fügte er hinzu: »Die Direktion des Hauses erlaubt sich, auf den Schreck hin eine Flasche Champagner servieren zu lassen.«
    »Ich will gehen!« schrie Madame Rivère hysterisch. »Ich will hier raus! Raus! Raus!«
    »Wir bitten um Geduld.« Der Oberkellner hatte wirklich Nerven. »Sie werden vermutlich noch als Zeugen benötigt …«
    Im Küchenvorraum stand der erste Direktor vor der Dame und fragte immer wieder: »Warum haben Sie das getan, Madam? Wer sind Sie? Nennen Sie doch Ihren Namen! Erklären Sie uns … die Polizei wird gleich hier sein … da nützt Ihnen kein Schweigen! Madam, Sie müssen doch einen Grund gehabt haben …«
    Die schöne Frau schwieg, lächelte verträumt, lehnte den Kopf nach hinten an die Wand und schloß ihre märchenhaften Mandelaugen. Dabei veränderte sich ihr Gesicht … es schrumpfte irgendwie zusammen und sah plötzlich viel älter aus.
    Sie öffnete auch die Augen nicht wieder, als nach zwanzig Minuten die Polizei eintraf, ihr die Tasche wegnahm, den Toten untersuchte und fotografierte und knapp und höflich, wie Chinesen sind, die Franzosen verhörte. Madames Ausbruch, sie habe schon immer gewußt, daß Hongkong voller Gangster sei, überhörte man mit noch größerer Höflichkeit.
    Kommissar Ting Tse-tung vom 1. Kommissariat der Polizei von Kowloon blickte auf die beiden Einschußlöcher in der Stirn des Toten, als betrachte er tief sinnend eine neue Ausgrabung im archäologischen Museum.
    »Haben Sie dafür eine Erklärung, Kommissar?« fragte der Direktor neben ihm mit belegter Stimme. »Kommt rein wie eine Prinzessin, lächelt und tötet! Und das bei mir!«
    »Irgendwo mußte es ja geschehen«, sagte Ting Tse-tung sarkastisch. »Das Schicksal traf eben Sie. In einer Viertelstunde ist der Tote weg. Dann wird es hier wieder so aussehen, als sei nichts gewesen.«
    »Herr Kommissar … die Presse … Morgen steht es in allen Zeitungen …«
    »Dann überlegen Sie doch mal«, meinte Ting Tse-tung trocken, »was Sie an Propaganda sparen …«
    Er ging zurück zur Küche, wo noch immer die
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