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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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Deutschland in Verruf: Es habe die Bildung eines deutschen Nationalstaats behindert; die Stärkung der Reichsstände habe die Kleinstaaterei gefördert. »Aus dem Moment der größten Hochachtung entstand innerhalb weniger Jahre ein Negativbild, das seinesgleichen sucht«, sagt Heinz Duchhardt.
    Ausländische Mächte, so das damalige Argument, hätten viel zu großen Einfluss auf die Politik im Reich erlangt – und die Schaffung eines Nationalstaats in Deutschland verhindert. Gemeint war vor allem Frankreich, das als Garantiemacht des Friedens aufgetreten war. Bis in die Zeit des Nationalsozialismus vertraten viele Historiker und Politiker in Deutschland diese Sichtweise. Eine Studie von 1940 spricht gar von einem »Tiefpunkt der Reichsgeschichte« – Mitherausgeber des Buchs war Münsters damaliger Stadtarchivar Friedrich Kopp.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte sich das Bild um. Seit Fritz Dickmanns Werk »Der Westfälische Friede« (1959) wurde der Friedensschluss als Vorläufer des geeinten Europas gefeiert, als Vorbild internationaler Konfliktbewältigung. Diese Ansicht war durchaus zeitgemäß, hatten sich doch die Staaten im Kern des Kontinents gerade zur Gründung von Montanunion und Wirtschaftsgemeinschaft zusammengerauft. Mittlerweile hat sich die Euro-Euphorie von einst wieder etwas abgekühlt – und damit bei einigen auch die Wertschätzung für das Ereignis von 1648. So mag Heinz Duchhardt »nicht denken, dass das ein Grundgesetz für das moderne Europa gewesen ist«. Auch die mehrbändige »History of Humanity« der Unesco widmet Münster und Osnabrück nur ein paar karge Zeilen.
    Tatsache ist, dass Westfalen genau eines nicht gebracht hat: den ewigen Frieden, den seine Macher doch so beredt versprochen hatten. Spanien und Frankreich kämpften bis 1659 weiter. Schweden kehrte schon kurz nach dem Vertragsschluss zu einer aggressiven Politik im Baltikum zurück. Und Frankreich gerierte sich unter Ludwig XIV . auch alles andere als friedfertig. Johannes Burkhardt nennt dies den »Rückfall des französischen Königs in das Programm des europäischen Universalismus«. Kriege mit den südlichen Niederlanden und der Niederländischen Republik, großflächige Annexionen im Elsass und in Lothringen, der Pfälzische Krieg – von wegen ewiger Friede.
    »Hier ist kein Instrument europäischer Sicherheitspolitik geschaffen worden«, folgert Heinz Duchhardt. Auch im Reich blieben ungelöste Probleme: »Nach 1648 brach kein Zeitalter der Toleranz aus – die alten Konflikte und Feindseligkeiten verschwanden nicht einfach«, gibt die münstersche Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger zu bedenken. Immerhin seien religiöse Konflikte nicht mehr mit Gewalt ausgetragen worden. Der Preis dafür: »Auch politische Konflikte, die zunächst gar nichts mit Religion zu tun hatten, ließen sich konfessionell aufladen.«
    Andererseits konnten viele spätere Friedensschlüsse auf das Vertragswerk von Westfalen zurückgreifen. Das Prinzip der Diplomatenversammlung als friedensstiftendes Element wurde immer wieder genutzt, so auf dem Wiener Kongress 1814/15, als die politische Landkarte Europas nach dem Ende von Napoleons Eroberungszügen neu gezeichnet wurde. Und auch später versuchten sich die Staaten nach traumatisierenden Großkriegen an hochkomplexen Lösungen, wie einst in Westfalen. So gesehen sind selbst Völkerbund und Uno geistige Erben des alten Vertrags.
    Eines allerdings unterscheidet die späteren Ansätze von 1648: »Lange hat man geglaubt, dass man allein durch Verträge den Frieden sichern kann«, sagt Völkerrechtler Tomuschat. »Im 20. Jahrhundert hat man dann gelernt, dass eine wirksame Friedensordnung auch überstaatliche Institutionen braucht.« Die Uno mit ihrem Sicherheitsrat ist dafür das wichtigste Beispiel. Doch in groben Zügen hat sich das internationale System als Gemeinschaft souveräner Staaten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gehalten. Ob es heute noch so existiert, ob der Westfälische Frieden die internationale Welt noch immer entscheidend prägt, darüber streiten die Experten.
    In den vergangenen Jahren ist immer wieder das Ende des Westfälischen Systems ausgerufen worden – nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa, bei der Übernahme kraftloser Staaten in Afrika durch kriegerische Warlords oder angesichts des erstarkenden islamistischen Terrors. Der bis dahin so wichtige souveräne Staat sei nicht mehr Hauptakteur auf der internationalen Bühne, sondern in seinen
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