Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
Vom Netzwerk:
kleine Tochter. Der Ort verlor mehr als die Hälfte seiner Bewohner. Auch Berlin, wohin Gerhardt 1643 zog, war von Krieg und Seuche schwer gezeichnet. Die Einwohnerzahl der Residenzstadt des Großen Kurfürsten war von 12.000 auf 6000 geschrumpft; über 200 Häuser standen leer. Kaiserliche Söldner hatten die Stadt ebenso wie die Schweden ausgeraubt.
    In Berlin schrieb Gerhardt Lieder. Vor allem lernte er einen Musiker kennen, der seine Texte gekonnt vertonte: Johann Crüger, Kantor an der Kirche St. Nikolai. Der Komponist, der zudem am Evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster Musik unterrichtete, nahm bald 18 – und wenige Jahre später schon 81 – von Gerhardts Liedern, zu denen er eingängige Melodien geschrieben hatte, in sein populäres Gesangbuch auf. Zu ihnen zählen mehrere der bis heute bekanntesten Dichtungen Gerhardts: »Wach auf, mein Herz, und singe« zum Beispiel, »Nun danket all und bringet Ehr’« oder »Nun ruhen alle Wälder«. Besonders dieses Abendlied, das der aufklärerisch bärbeißige Friedrich der Große später als »dummes törichtes Zeug« diffamieren sollte, erfreute sich schnell großer Beliebtheit.
    Den Westfälischen Frieden feierte Gerhardt mit den damals rasch berühmt gewordenen Zeilen:
    Gott Lob! Nun ist erschollen
    das edle Fried- und Freudenwort,
    dass nunmehr ruhen sollen
    die Spieß und Schwerter und ihr Mord.
    Drei Jahre nach dem Ende des Krieges trat der fleißige Dichter in Mittenwalde sein erstes Pfarramt an. Die feste Stelle sicherte ihn im Alter von 48 Jahren erstmals wirtschaftlich ab, so dass er im Februar 1655 heiraten konnte. Anna Maria Berthold war die Tochter eines Berliner Advokaten am Kammergericht, in dessen Hause Gerhardt gelebt hatte. Ein Jahr später wurde dem Paar eine Tochter geboren. Der Vater taufte sie auf den Namen Maria Elisabeth, doch das Mädchen starb, bevor es ein Jahr alt war. Vier von den insgesamt fünf Kindern der Eheleute sollte dieses Schicksal treffen.
    Obgleich der Tod im 17. Jahrhundert noch etwas Alltägliches war und die meisten Neugeborenen das Erwachsenenalter nicht erreichten, muss das Sterben der kleinen Kinder eine schwere Prüfung gewesen sein, besonders für Gerhardts Frau. Theologen sind zu der Auffassung gelangt, dass Gerhardt auch gegen die Depressionen andichtete, gegen die Trauer seiner Frau. So verfasste er beispielsweise das aufmunternde Sommerlied:
    Geh aus, mein Herz, und suche Freud
    in dieser lieben Sommerzeit
    an deines Gottes Gaben;
    schau an der schönen Gärten Zier
    und siehe, wie sie mir und dir
    sich ausgeschmücket haben.
    Während Gerhardt in seinen Versen immer wieder eine ungekünstelte, anheimelnde Leichtigkeit gelang, blieb er als Theologe und Pfarrer ein fanatischer Lutheraner, der Calvinisten nicht für Christen hielt. Als der Kurfürst von den Berliner Pfarrern eine Anerkennung der Reformierten forderte, weigerten sich Gerhardt und andere Pfarrer – um den Preis ihrer Entlassung. Kein einziges von Paul Gerhardts Liedern handelt ausdrücklich vom Krieg, doch gleichzeitig lässt sich seine Dichtung ohne den Krieg nicht vorstellen. Viele Texte, die er schrieb, sind Passionslieder über die Hingabe, das Leiden und den Tod Jesu Christi. Das bekannteste beginnt mit den Versen:
    O Haupt voll Blut und Wunden,
    voll Schmerz und voller Hohn,
    o Haupt zum Spott gebunden
    mit einer Dornenkron.
    Tod und Trauer waren allgegenwärtig für Gerhardt: Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. In der Spreewaldstadt Lübben, wo er seine letzte Stelle als Pfarrer annahm, schrieb der Witwer: »Mein gemüth ist mier über dem, das Ich theils Vor mier sehe, theils auch befürchten muß, dermaßen gekrenket Unnd beängstiget, Das ich fast nicht weiß, wo ich mich hinkehren Unnd wenden soll.« Gerhardt, von dem 139 Gedichte und Liedtexte überliefert sind, hörte in Lübben auf zu schreiben. Von der Macht des Wortes blieb er jedoch überzeugt. In der Stunde seines Todes, so ist es glaubhaft überliefert, versuchte er sich mit eigenen Versen zu trösten:
    Kann uns doch kein Tod nicht töten,
    sondern reißt
    unsern Geist
    aus vielen tausend Nöten;
    schleußt das Tor der bittern Leiden
    und macht Bahn
    da man kann
    gehn zur Himmelsfreuden.
    Ob ihm sein Lied geholfen hat? Letztlich ist er 1676 in Lübben als trauriger alter Mann gestorben, der Dichter, dessen Lieder bis heute so vielen Christen Trost spenden.

ANHANG

CHRONIK: 1618 BIS 1648 DIE WIRREN EINER TRAUMATISCHEN ZEIT
    1618
    Böhmens Protestanten rebellieren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher