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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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kein Vertragspartner war, konnte man es nicht zwingen. So boten die Fürsten Frankreich ein Unterpfand; die Kaiserlichen wurden gar nicht erst gefragt.

    Doch wer durfte zuerst unterzeichnen, und wo? Noch den ganzen Vormittag stritt man, auch weil die Schweden plötzlich eine Zusicherung für deutsche Winterquartiere verlangten. Es wurde Abend, bis alle unterschrieben hatten – »im Nahmen der Hochheyligen untheilbaren Dreyfaltigkeit, Amen«, so steht es in fetten Lettern über dem Vertrag. Dann erst, am 24. Oktober 1648, krachten die Salutschüsse der Friedenskanonen. Letztlich, so der Historiker Johannes Burkhardt, war es ein »Erschöpfungsfriede«.
    Die Dominanz des universalen Kaisertums war gebrochen: Die Stände bekamen das Recht, alle Reichsangelegenheiten mitzuentscheiden, auch über Krieg und Frieden. Der Reichstag hatte künftig über konfessionelle Fragen in zwei paritätischen Kurien zu entscheiden, dem »corpus catholicorum« und dem »corpus evangelicorum«. Politik und Religion wurden aber stärker getrennt. Vor allem waren nun alle Konfessionen gleich. Im Streit um die konfessionellen Besitztümer drehte man die Verhältnisse auf das Jahr 1624 zurück: Enteigneter Besitz musste zurückgegeben werden.
    Schweden bekam die Bistümer Bremen und Verden, Wismar und einen Teil Pommerns – so erhielt das Königreich Sitz und Stimme im Reichstag. Frankreich wurde das Elsass zugesprochen, samt Straßburg, Bayern die Oberpfalz, Brandenburg die Hochstifte Minden, Halberstadt und Hinterpommern. Nur der Papst missbilligte den Frieden, der die faktische Anerkennung der protestantischen Säkularisation bedeutete und die Gegenreformation zum Stillstand brachte. Doch die schlauen Unterhändler von Münster hatten vorgesorgt – mit einer Anti-Protestklausel. In Prag wurde noch neun Tage weiter gekämpft und gestorben, erst dann erhielten auch die Menschen dort die Nachricht, dass nun endlich die Waffen schweigen sollten.

WESTFÄLISCHES VEXIERBILD
    Das moderne Staatensystem lässt sich
in seinen Grundzügen auf den Frieden von 1648 zurückführen.
Aber das ist nur eine von vielen Deutungen des Vertragswerks.
    Von
    Christoph Seidler
    I n Momenten besonders großer Ratlosigkeit greifen die Menschen gern zum Pathos. »Am Anfang und am Schluss von Heimsuchungen macht man immer ein wenig in Rhetorik. Im ersten Fall hat man die Gewohnheit noch nicht verloren, und im zweiten hat man sie schon wieder angenommen«, schreibt Albert Camus in seinem Roman »Die Pest«. Zwar erzählt Camus von Algerien zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Aber die Bevölkerung der Küstenstadt Oran macht während einer – erdachten – Pest-Epidemie ähnlich existentielle Erfahrungen wie Millionen Mitteleuropäer während des Dreißigjährigen Krieges. Und in beiden Fällen müssen sich die Überlebenden vor den Leichenbergen fragen, wie es eigentlich weitergehen soll, nach dem unmittelbaren Erlebnis des Todes.
    Der Dreißigjährige Krieg sollte durch nichts Geringeres als eine »pax universalis et perpetua« überwunden werden, einen allgemeinen, ewig gültigen Frieden. Geschlossen wurde er zwischen den Staaten im Herzen Europas, die bei den Verhandlungen als weitgehend gleichberechtigte Partner auftraten – ein Prinzip, wie wir es noch heute kennen. »Wahre und aufrichtige Freundschaft« solle fortan herrschen, so das in den Verträgen formulierte Ziel. Nach dem verheerenden Konflikt war der Doppelfrieden von Münster und Osnabrück der epochale Versuch einer Antwort auf die Frage »Wie weiter?«. Mitten im Tumult hatte der schlesische Jesuit Andreas Scultetus gedichtet: »Ach, glaubt mir, einmal sich erretten von den Kriegen, ist mehr, als tausendmal unüberwindlich siegen.«
    Doch wie sollte dieses Erretten nun praktisch aussehen? »Nach 30 Jahren Krieg lechzten die Menschen nach Sicherheit«, beschreibt der Historiker Heinz Duchhardt vom Institut für Europäische Geschichte in Mainz die Situation. Vagabundierende Heere, Hungersnöte und grassierende Seuchen hatten Deutschland großflächig verwüstet. Manche Region hatte mehr als die Hälfte ihrer Einwohner verloren; Flüchtlinge irrten durchs Land. Umso erstaunlicher, dass in den Verträgen alle Parteien unabhängig von ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht, der Größe ihres Staatsgebiets oder ihrer Religion auftraten. »Die wechselseitige Anerkennung und das Ende der Superiorität des Reichsgedankens, das ist in Münster und Osnabrück festgelegt worden«, erklärt der
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