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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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mit Rückendeckung des pragmatisch romtreuen Heinrichs IV . von Frankreich – gegen die Interessen insbesondere der kaiserlich-katholischen Partei. Diese brachte daraufhin im folgenden Jahr unter Federführung Maximilians von Bayern prompt auch eine »Liga« ihrer Anhänger zusammen. Dennoch verstrich fast ein weiteres Jahrzehnt, bis der Prager Fenstersturz das Signal zum böhmischen Stände-Aufstand und damit zur militärischen Konfrontation gab.
    »Verschiedene Konfliktreihen verbanden sich zu einem auch zeitgenössisch so wahrgenommenen Kontinuum« – so blass und zaghaft umschreibt die Frankfurter Historikerin Luise Schorn-Schütte in einem kürzlich erschienenen Band zur Geschichte der frühen Neuzeit, wie Mitteleuropa den lange gewahrten Frieden nun Zug um Zug vertat. Weder Schuldige noch Helden mag sie namhaft machen, allenfalls Phasen der Auseinandersetzung; immerhin nennt sie das Geschehen, so sehr es auch um Verfassungsideen und Machtbalancen ging, in der Summe einen »Konfessionskrieg«. Aber nicht einmal dieses schon von Friedrich Schiller erörterte Gesamturteil würden die Kollegen im In- und Ausland vorbehaltlos unterschreiben. Spätestens seit der Brite Geoffrey Parker in den siebziger Jahren den Kampf um die »Spanische Straße«, den bislang wenig beachteten Nachschubweg von Genua über die Alpen bis in die Niederlande, als wichtige Streitsache im Positionskampf der Mächte herausgestellt hat, ist unter den Fachleuten die alte Debatte, worum es in diesem Krieg eigentlich ging, wieder voll entbrannt. Und selbst nach weit über 30 Jahren wissenschaftlicher Feldzüge scheint kein Vernunftfrieden in Sicht.
    Vom vorwiegend deutschen Kampf um die bedrohte Freiheit der Reichsstände bis zur bloßen Episode in der epochalen Kontroverse Habsburgs und Frankreichs um die Vormacht auf dem Kontinent; vom gnadenlos durchgefochtenen Wettstreit darum, ob Religion oder Politik das letzte Wort haben dürfe, bis zum bloßen Schein eines Gesamtvorgangs, wo in Wahrheit Regional-Scharmützel ohne wirkliche Beziehung zueinander ablaufen: Kaum eine Erklärung haben die Experten unerprobt gelassen. Vor drei Jahren wandte sich Peter H. Wilson, Geschichtsprofessor im ostenglischen Hull, auf gut tausend fesselnd geschriebenen Seiten gegen das geläufige Bild vom unausweichlichen, konfessionell bedingten Gewaltexzess. Er hielt dagegen: Erst von 1630 an eskalierte das Morden der Söldnerheere, erst das unglückliche Zusammentreffen apokalyptischer Prophetien, die Erscheinung dreier Kometen 1618/19 und das entsprechend nervöse Anheizen der Glaubenskonfrontation trieb nach seiner Ansicht die verunsicherten Mächte Mitteleuropas endgültig über die Schwelle des Krieges.
    Nach manchen Theoriedebatten, die an dem gewaltigen Knäuel fürchterlicher Ereignisse letztlich nur das Unentwirrbar-Ungreifbare herauszustellen vermochten, wirkt Wilsons Detailpragmatismus befreiend: Anstatt nach alter deutscher Vorliebe den Weltgeist in flagranti überführen zu wollen, lernt der Leser Ziele und Sorgen von Menschen verstehen, die erleben mussten, wie ihr Kontinent, oft auch ihre Heimat und Existenz, ins Verderben schlidderte. Noch Jahrhunderte später, als man Heerführer wie Tilly, Wallenstein oder Gustav Adolf zu Helden stilisierte, geschah das meist unter dem Eindruck fataler Sinnlosigkeit des Kriegsgeschehens. Heute wiederum, in Zeiten politischer Korrektheit, hüten sich die meisten Historiker erst recht sorgfältig, dem millionenfachen Elend irgendwelche achtbaren Folgen zuzuschreiben.
    Dennoch: Versucht man einmal so, wie der große Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt sein Handwerk beschrieben hat, über »Jubel und Jammer« des Tages hinauszublicken, dann fällt die Bilanz bei näherer Betrachtung keineswegs rein negativ aus. Das beginnt schon auf militärischem Gebiet: Anfangs hatten kleine Regionalverbände und privat finanzierte Söldnerheere das Bild geprägt; vor allem seit den späteren 1630er Jahren richteten diese Berufstruppen aus Soldmangel, Verzweiflung oder perfider Taktik schwere Verwüstungen und Massaker an. Am Ende des Krieges galt das staatliche stehende Heer als beste Lösung. Schon die neue Waffen- und Schanztechnik verlangte größere, trainierte Aufgebote mit höherer Disziplin und Experten in der Führung.
    Wirtschaftlich gesehen konnte sich das von etwa 21 auf 16 Millionen Einwohner zurückgeworfene Reich nur allmählich von den Verwerfungen erholen, erklärt der Freiburger Spezialist Ronald G. Asch.
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