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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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Münster lehrende Historiker Johannes Arndt. Dieser Frieden einte das Reich nicht territorial, sondern steigerte noch die frühere Kleinteiligkeit zu nun 1789 reichsunmittelbaren Gewalten, darunter 296 Souveränen. Weite Gebiete im Norden ließ er unter schwedische Hoheit und das Elsass an Frankreich fallen. National denkenden Historikern des 19. Jahrhunderts ist dieses Ergebnis als schauderhafter »Ruin« deutscher Einheitshoffnungen erschienen, wie ihr Epigone Egon Friedell es plakativ zusammenfasste. Doch tatsächlich war die ersehnte »pax optima rerum« keineswegs eine Schmach. Nicht nur hatte das Reich, wie der Jenaer Historiker Georg Schmidt formuliert, durch die Kriegswirren einen »Verdichtungsschub« hin zu höherer Identität erfahren, es ging daraus sogar stabiler und lebensfähiger hervor. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sollte sich die Reichsverfassung als »defensive Rechtsordnung« und »politische Heimat der Deutschen« (Johannes Arndt) mehr als leidlich behaupten; Opfer, Blut und Qualen waren für ihre Entstehung schließlich im Übermaß gebracht worden.
    »Europa braucht einen dreißigjährigen Krieg, um einzusehen, was 1792 vernünftig gewesen wäre«, polterte denn auch noch der Staatsminister Johann Wolfgang von Goethe, als er auf dem Schlachtfeld bei Verdun erfuhr, dass seine Kollegen in Weimar den preußisch-österreichischen Schlagabtausch mit Frankreich kurzerhand zum »Reichskrieg« erklärt hatten. Er erinnerte sich noch gut an die Kaiserkrönung, die er als Junge in seiner Vaterstadt Frankfurt am Main miterlebt hatte. So hielt er jede fahrlässige Unterhöhlung dessen, was 1648 in Münster und Osnabrück nach langen Mühen besiegelt worden war, für einen Schritt in die politische Apokalypse. Mehr als zwei Jahrzehnte europäischer Krieg und napoleonische Wirren sollten seinem Argwohn dann bitter recht geben.
    Natürlich wird niemand den diffusen, aufreibenden Hickhack um die Macht einfach als Lernprogramm und Experiment epochalen Ausmaßes buchen mögen. Und dennoch: Vielleicht waren die Resultate nicht rein negativ. Vielleicht braucht die fatale Ereignisfolge, für die auch noch so langes Probieren kein griffigeres Etikett gefunden hat als »Dreißigjähriger Krieg«, in der historischen Bilanz nicht völlig auf der Verlustseite abgebucht zu werden. Als letzter kontinentaler Religionskrieg hat der Konflikt blutig bewiesen, wie wenig konfessionelle Lehrsätze als Leitbilder der Macht taugen – und damit unter enormen Opfern letztlich doch das Vertrauen in die säkulare Weltbetrachtung gestärkt. Im Ringen der Großmächte miteinander hat er alle Beteiligten davon überzeugt, dass niemand, nicht einmal der Kaiser, den alten Traum vom Universalreich verwirklichen könnte, also den Föderalgedanken und das diplomatische Miteinander plausibler gemacht. Und intellektuell führte das namenlose Elend sogar zu einer Grundsatz-Besinnung, in der heute die wichtigsten Vorboten der Aufklärung erkennbar sind.
    Natürlich wäre es zynisch, wollte man Tod, Hunger und unermessliches Elend wegen solcher langfristigen, schwer belegbaren Konsequenzen zur nützlichen Episode auf dem Weg Europas in ein halbwegs geordnetes, von Vernunft und Toleranz geleitetes Miteinander erklären. Aber zumindest indirekt haben die drei Jahrzehnte auch positive Spuren hinterlassen. Deshalb lohnt es allemal, wie schon Zeitgenossen und Nachfahren es taten, über Ursachen, Wechselfälle und Lektionen dieser grausamen Konflikt-Epoche weiter nachzudenken.

»AUCH DIE TEUERSTE ARMEE
MUSS NICHT IMMER GEWINNEN«
    Der Jenaer Historiker Georg Schmidt über Ursachen
und Verlauf des Krieges, Oldenburger Pferde und
die Überlebenskraft des Alten Reiches
    Das Gespräch führten
    Norbert F. Pötzl und Johannes Saltzwedel
    SPIEGEL: Herr Professor Schmidt, hat der Dreißigjährige Krieg eigentlich dreißig Jahre gedauert?
    SCHMIDT: Das ist, glaube ich, an deutschen Universitäten wirklich schon als Prüfungsfrage gestellt worden. Clevere Kandidaten nannten dann eine niedrigere Zahl und gaben zu bedenken, dass ja bei Nacht wenig gekämpft wurde und selten am Sonntag. Aber im Ernst: Es waren Publizisten und Historiker, die die drei Jahrzehnte festgelegt oder rekonstruiert haben – schon im 17. Jahrhundert ist daraus eine Tradition geworden …
    SPIEGEL: … die man also anzweifeln kann?
    SCHMIDT: Durchaus. 1618 herrscht genau genommen in Deutschland gar kein Krieg, allenfalls gab es lokale Kämpfe um die Vorherrschaft im habsburgischen
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