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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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einer Staatsgründung statt: Aus einer spanischen Kolonie soll eine eigenständige Republik werden. In Böhmen will sich die alte Nation von habsburgischen Ansprüchen emanzipieren – doch es bleibt beim Versuch. Im Reich und für andere Gegenden Europas würde ich die These Burkhardts mit Fragezeichen versehen.
    SPIEGEL: Sie haben einmal gesagt, der Blick auf eine Karte sei zum Verständnis des Krieges nur wenig hilfreich. Wie meinen Sie das?
    SCHMIDT: Karten zeigen Grenzen – aber die Fronten des Konflikts verlaufen über territoriale Gebilde hinweg. Dass man Polen in deutschen Geschichtsatlanten wie Frankreich mit nur einer Farbe darstellt, ist eine grobe Vereinfachung. Dass das Reich dagegen aus dreihundert oder, nach anderer Zählung, über tausend Souveränitäten bestanden habe, spiegelt allenfalls die Sicht des 19. Jahrhunderts, das vom Flickenteppich zum Nationalstaat wollte. In Wahrheit funktionierte das Reich ganz anders. Es gab Zwischenebenen wie die Reichskreise, die auf Karten des 16. und 17. Jahrhunderts regelmäßig zu sehen sind: Regionalverbände, die vom Straßenbau bis zur Verfolgung von Kriminellen vieles regelten, sogar die Kontingente für das Reichsheer stellten.
    SPIEGEL: Aber auch dieses hochkomplexe Gebilde konnte den Frieden nicht retten.
    SCHMIDT: Ja, obwohl selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen der Ausgleich immer noch einmal gelang. Irgendwann wurde er unmöglich – wann genau, darüber kann man lange streiten. Als die Auseinandersetzungen in Prag gewalttätig wurden, funktionierte das Reich als Friedensverbund durchaus. Nicht einmal, wann es in den Krieg eintrat, ist klar zu bestimmen. Und selbst Union und Liga, die beiden Konfessionsbündnisse, hatten lange versucht, den Frieden zu bewahren.
    SPIEGEL: Wohl auch die Zeitgenossen müssen das Gefühl gehabt haben, denkbar unglücklich in diesen Krieg hineingeschlittert zu sein. Welche fatalen Schritte der Ausweitung sehen Sie?
    SCHMIDT: Nach dem Sieg der Habsburger und der Truppen der Liga 1620 am Weißen Berg, nahe Prag, gelingt es nicht, Frieden zu machen, weil Maximilian von Bayern seinen Preis einfordert: die Oberpfalz und die Pfälzer Kurwürde. Dagegen stellen sich die Reste der Armee des »Winterkönigs« Friedrich, und in den folgenden Jahren mischen immer mehr Condottieri in dem Konflikt mit …
    SPIEGEL: … kleinere Heerführer, meist mit einer Söldnertruppe auf eigene Rechnung?
    SCHMIDT: Genau. Christian von Halberstadt zum Beispiel oder Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach, die wollen für sich Beute und Gewinn machen.
    SPIEGEL: Aber Maximilian erreicht doch alles, was er angestrebt hat?
    SCHMIDT: Ja, es hätte wirklich Frieden geben können. Aber die Liga-Armee wird im Winter 1623/24 nicht abgedankt, sie zieht ins Winterlager in den evangelischen Norden, ins Hessische und nach Westfalen. Das schreckt die Norddeutschen auf, und nun nutzt König Christian von Dänemark als Herzog von Holstein diese Bedrohung. Schon ist der Konflikt internationalisiert. Als der Dänenkönig dann jedoch zwischen Liga-Heer und Wallensteins kaiserlicher Armee in die Zange gerät, ist er strategisch klar überfordert, außerdem geht ihm das Geld aus.
    SPIEGEL: Hat König Gustav Adolf von Schweden aus Christians Fehlern lernen können?
    SCHMIDT: Seine Situation ist eine andere: Er greift im Sommer 1630 ein, um für sein kleines, gerade einmal eine Million Einwohner zählendes Reich Schweden den Kaiserlichen die Gegenküste an der Ostsee abzuringen. Es gibt auch Hilferufe, etwa aus Stralsund. Zu seinem Glück geraten damals die Spanier in Italien gegen die Franzosen in arge Bedrängnis, so dass ihnen Kaiser Ferdinand II. militärisch zu Hilfe kommen muss. Gustav Adolf kann deswegen weit ins Innere des Reiches vordringen.
    SPIEGEL: Immerhin stellt sich ihm dann der zurückgerufene Wallenstein entgegen – eine der klassisch gewordenen Konfrontationen. Was ist der immer rätselhaft gebliebene Wallenstein für Sie?
    SCHMIDT: Zunächst einmal die End- und Gipfelgestalt unter den Condottieri – die Zukunft gehört stehenden Heeren, die politisch kontrolliert sind. Wallenstein arbeitet noch auf eigene Kosten, auch wenn er natürlich alles bis zum letzten Stiefelschaft dem Kaiser in Rechnung stellt. Kann der Kaiser nicht zahlen, vergibt er Herzogtitel und Herrschaften. Unter den Reichsständen wird Wallenstein dadurch allerdings zum Parvenu; bald rebellieren selbst Katholiken wie der Kurfürst von Bayern gegen die bedrohliche Ausweitung
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