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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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seiner Macht.
    SPIEGEL: Aber er ist mit den Widerständen doch lange fertig geworden?
    SCHMIDT: Das war tatsächlich eine geniale Leistung. Sein Heer, das er in nur zwei Monaten aufgestellt hatte, operierte zunächst im Großbereich der Elbe – verständlicherweise, denn dadurch konnte sein Herzogtum Friedland in Böhmen die Ressourcen günstig zu Schiff liefern. So verdiente er doppelt: durch die Kriegswirtschaft seiner Untertanen und durch die Feldzüge. Das eine Jahr, das Wallenstein in Mecklenburg regierte, hat auch dort die Infrastruktur enorm vorangebracht, das muss man bei aller Unberechenbarkeit und Grausamkeit seines Charakters anerkennen.
    SPIEGEL: Wie sollen wir uns die Maschinerie vorstellen? Wie befehligte man eine Armee von bis zu 70000 Mann?
    SCHMIDT: Wie heute noch: Es gab eine klare Kommandostruktur, eine Hierarchie. Auf Disziplin wurde von den Feldwebeln und Leutnants auch ziemlich rigoros geachtet, mit geladener Waffe. Da konnte niemand losmarschieren und sagen: Das Huhn oder den Ochsen hol ich mir. Hinter dem Heer aber zog immer ein Tross mit, der so viele Leute umfasste wie die Truppe selbst. Zwar unterstand er einem Weibel, also Hauptfeldwebel – aber der konnte niemals 70.000 Menschen kontrollieren, die noch dazu völlig unterschiedliche Interessen hatten: Verwundete, Frauen, Kinder, Bettler, Marketenderinnen, Mätressen, Dirnen und vieles mehr. Dieses Tross-Gesindel war es, das Schrecken und Verwüstung mit sich brachte, auch und gerade während des Winterlagers.
    SPIEGEL: Bislang haben wir hauptsächlich das Reichsgebiet betrachtet. Nun gibt es Historiker, die ganz andere Schwerpunkte setzen: Von Habsburgs Italienpolitik bis zum Machtkampf im Baltikum hat der Konflikt ja viele Schauplätze. Fast sieht es so aus, als ließe sich das traurige Klein-Klein im Reich ausklammern, als werde dann erst das eigentliche Ringen der europäischen Mächte sichtbar.
    SCHMIDT: Man kann den Krieg tatsächlich auf vielerlei Art erzählen. Da hat zum Beispiel Geoffrey Parker die strategische Rolle der »Spanischen Straße« gewürdigt, des Nachschubwegs von Genua über die Alpen bis in die Niederlande. Um das kleine Veltlin im südlichen Graubünden wurde nur deshalb so erbittert gekämpft, weil seine Pässe für Habsburgs Interessen das Nadelöhr darstellten. Aber sind die Kämpfe in den Niederlanden, in Italien und im Reich wirklich ein und derselbe Krieg?
    SPIEGEL: Sie sehen das offenbar anders.
    SCHMIDT: Die Frage spaltet die Historiker, denn für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente. Ich plädiere dafür, den Kampf um die Niederlande, der ja seit viel längerer Zeit tobte, und damit auch Spaniens Anteil am europäischen Hegemonialstreben zu unterscheiden vom Krieg auf Reichsgebiet.
    SPIEGEL: Jede Wendung des Konflikts bietet neue Möglichkeiten für Gedankenspiele: Hätte der Kaiser beispielsweise Gustav Adolf nicht Norddeutschland überlassen …
    SCHMIDT: … dann wäre das Reich ein ganz anderes geworden: kaiserlich-katholisch. Natürlich kann man von allen Seiten vertane Chancen hochrechnen: Nur weil Schweden bei Nördlingen die schwere Niederlage erlitt, wurde 1635 der Prager Friede möglich. Und er hätte funktionieren können, wäre man auf Reichsseite nicht so sicher gewesen, mit den Schweden fertigzuwerden, ohne sie an den Verhandlungstisch zu holen. Sie hätten sich wohl sogar zurückgezogen, gegen gewisse Entschädigungen. Aber die gab es nicht. Bald merkten die Protestanten im Norden, dass das kaiserliche Heer eher gegen sie operierte, und der Frieden wurde hinfällig.
    SPIEGEL: Hatte nicht schon das Restitutionsedikt von 1629 den Konflikt wieder angeheizt?
    SCHMIDT: Zumindest hat es zwei Jahrzehnte das Misstrauen geschürt: Eine kaiserliche Verfügung, die die Rückkehr zu den Besitzständen anordnete, wie sie im Augsburger Religionsfrieden festgelegt worden waren, das bedeutete erzwungene Entsäkularisierung und Rekatholisierung enormer Gebiete – ganz zu schweigen von den Calvinisten, die zu Ketzern erklärt wurden. Selbst im Prager Frieden wurde dieses fatale Edikt nicht kassiert, sondern nur für 40 Jahre ausgesetzt.
    SPIEGEL: Der Krieg, so schreiben Sie in ihrem einschlägigen Übersichtswerk, schleppte sich weiter, bis endlich Deutschland »völlig erschöpft« war – was heißt das eigentlich?
    SCHMIDT: Zugegeben, man könnte wie bei »Asterix« fragen: »Ganz Deutschland?« Manche Gebiete haben den Krieg ja praktisch nicht erlebt. Auf etwa der Diagonalen vom Elsass bis nach
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