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Der digitale Daemon

Der digitale Daemon

Titel: Der digitale Daemon
Autoren: Ralph Haupter
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hervor.
    Der öffentliche Sturm der Entrüstung bewegte das Hasso-Plattner-Institut schließlich dazu, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Die Schufa legte das Vorhaben – zunächst – auf Eis. Und doch wurde in der Diskussion zumeist ein wichtiger Punkt übersehen: Wir stellen unsere Daten freiwillig ins Netz, breiten mitunter unser Innerstes in Foren und sozialen Netzwerken aus. Schon heute werden diese Daten und Profile genutzt, um uns mit passgenauen Informationen und Dienstleistungen oder auch mit personalisierter Werbung zu versorgen. Das Vorhaben, sie auch für die Einstufung der Kreditwürdigkeit zu nutzen, bedeutet lediglich einen weiteren, logischen Schritt.
    Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der technologischen Revolution, das digitale Paradoxon: Wir bejubeln den Fortschritt und gleichzeitig fürchten wir ihn. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten hat sich das World Wide Web als geschätztes und routiniert genutztes Informations- und Kommunikationsmedium durchgesetzt. Doch je mehr das Internet zu einem selbstverständlichen Bestandteil unseres Berufs- und Alltagslebens wird, desto stärker prägen reale Gefahren und diffuse Ängste die öffentliche Wahrnehmung. Zuweilen wechseln sich Meldungen über »bahnbrechende Innovationen« und »gefährliche Schwachstellen« im Stundentakt ab. Datenklau und Datenpannen, Spam- und Virenfluten, Horrorszenarien von Cyberattacken auf sensible Energie- oder Verkehrssysteme – kein Tag vergeht ohne entsprechende Nachrichten und mediale Zuspitzungen. Die Realität ist: Jeder Innovationssprung birgt Chancen und Risiken, er bringt sowohl Erleichterungen als auch Belästigungen: keine E-Mail ohne Spam; kein offener und freier Netzzugang ohne Cyberkriminalität; keine digitale Transparenz von Märkten und Mächten, ohne dass auch unsere privaten Vorlieben und Geheimnisse leichter ans Licht gezogen werden können.
    Wie gehen wir mit diesem Paradoxon um? Sind wir den Schattenseiten und Gefahren der Netzkommunikation machtlos ausgeliefert? Nein, sicher nicht. Widersprüche dieses Ausmaßes lassen sich zwar nicht einfach auflösen oder beseitigen. Aber ich bin sicher, dass sie sich in einer Weise bearbeiten, begrenzen und »einfrieden« lassen, dass wir mit ihnen leben können. Fatalismus gegenüber den Gefährdungen der digitalen Welt, gegenüber Cyberkriminalität, gegenüber autokratischen und monopolistischen Ambitionen, wie er in einer kulturkritischen und technologiefeindlichen Betrachtung des Internets zum Ausdruck kommt, ist völlig fehl am Platz.
    Womit wir bei der zentralen Grundfrage der digitalen Debatte – und damit auch dieses Buches – angekommen wären: Wie lässt sich das Paradoxon der computerbasierten Netzkommunikation heute, auf dem hohen Niveau von IT- und Internettechnologien wie Cloud Computing, begrenzen und in einer Weise einfrieden, damit das ungeheure Potenzial dieser Technologien nicht zugleich mit ungeheuren Gefahren einhergehen muss?
    Angesichts des rasanten Innovationstempos in der computerbasierten Netzkommunikation kann heute wahrscheinlich noch keine angemessene, abschließende Antwort auf diese Frage gegeben werden. Einen kleinen Beitrag mag dieses Buch dennoch leisten, in dem Kritiker und Vertreter der IT-Industrie, Autoren aus Wirtschaft und Politik, aus Wissenschaft und sozialen Bewegungen zu den großen Streitfragen der digitalen Debatte Stellung nehmen.
    Als Manager eines der weltweit führenden IT-Unternehmen stelle ich die Frage: Wie müssen sich Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie verhalten, um mit dem digitalen Paradoxon angemessen umzugehen? Eine Antwort liefert der Begriff Corporate Technical Responsibility (CTR). CTR steht für die freiwillige Verpflichtung von ITK-Unternehmen, Verantwortung für gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Veränderungen zu übernehmen, die durch ihre technischen Innovationen angestoßen werden. Das bedeutet konkret: Wir – sowohl die einzelnen Unternehmen als auch die gesamte Branche – müssen uns in die digitalen Kontroversen einbringen, wenn das Systemvertrauen in die neuen Technologien wachsen soll.
Vertrauen als Standortfaktor
    Wie schwierig es ist, Vertrauen herzustellen, und wie leicht es ist, dieses Vertrauen wieder zu verlieren, lässt sich am Beispiel von Online-Transaktionen belegen. Vertrauen basiert grundsätzlich auf positiven Erfahrungen, die dann als positive Erwartungen an die Zukunft gerichtet werden. Das heißt: Wenn ich in der
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