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Der digitale Daemon

Der digitale Daemon

Titel: Der digitale Daemon
Autoren: Ralph Haupter
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Interessen der Konsumenten, denen das Internet eine ungeahnte Transparenz von Angeboten und Märkten ermöglichte. Und eines steht außer Frage: Ohne die ungeheure Mobilisierung des Kapitalmarktes für diese Technologie, ohne globale Anbieter von standardisierter Software, Hardware und Netzwerktechnologien, ohne den Aufbau zentraler Rechenzentren und Infrastrukturen, würden wir heute noch auf den Postboten warten oder uns vor der Telefonzelle drängeln. Ohne Unternehmer, die in der digitalen Welt gute Geschäfte machen, wären heute nicht Milliarden Menschen im Internet vereint. Sprich, erst die gewaltige wirtschaftliche Dimension des Internets zwingt uns dazu, immer wieder über die gemeinschaftlichen Normen unseres Kommunikationsverkehrs nachzudenken.
Der gesellschaftliche Wandel
    In nahezu jeder zweiten Talkshow bekommen wir zu hören, wie sehr das Internet die Wirtschaft und Gesellschaft verändert habe. Zumeist melden sich in diesen Runden zwei typische Diskutanten zu Wort: der Kulturkritiker und der Netzvisionär. Der Kulturkritiker klagt über die Informationsflut in den digitalen Medien, über den Sittenverfall in Chatrooms und der Blogosphäre, über den Verlust wahrer zwischenmenschlicher Beziehungen in der kalten, virtuellen Welt des Internets. Der Netzvisionär weist darauf hin, dass es ohne Smartphone keinen Arabischen Frühling gegeben hätte, und entwickelt daraus die Utopie einer ökologisch-pazifistischen Weltgemeinschaft im permanenten digitalen Austausch.
    Tatsächlich ist schon der bisher erfolgte gesellschaftliche Wandel durch Internettechnologien enorm und vielfach radikal. In Wirtschaft und Politik, öffentlicher Verwaltung und/oder infrastrukturellen Versorgungssystemen, in Medien und Kultur, im Familienleben und der Freizeitwelt, selbst im menschlichen Verhalten hat das Internet bereits deutliche Veränderungen bewirkt.
    Wer heute seine Fabrik oder sein Büro betritt, wer im Home Office oder im Außendienst arbeitet, der fährt als erstes den Computer hoch oder schaut auf sein Smartphone. Fast alle großen Branchen haben ihre Wertschöpfung auf IT-Steuerung und Online-Kommunikation umgestellt. Etwa die Hälfte des Produktivitätsanstiegs der letzten 15 Jahre innerhalb der EU lässt sich auf Informations- und Kommunikationstechnologien zurückführen. Wer diesen Weg nicht mitging, kam unter die Räder: Ganze Branchen – Musikwirtschaft, Verlagswesen – wurden vom Internet an die Wand gedrückt. Würde heute ein unbekanntes Killervirus die gesamte digitale Informationsverarbeitung und Netzkommunikation lahmlegen, brächen über Nacht die globale Industrieproduktion, Warenlogistik und Finanzwirtschaft zusammen. Kurzum: Innerhalb von zwei Jahrzehnten ist das Internet zu einer zentralen Gestaltungsmacht der globalen Ökonomie geworden. Man kann auch von einer Zäsur zwischen »alter« und »neuer« Weltwirtschaft sprechen. Digitalisierung, Miniaturisierung, Internet über Satellitensysteme und weltweite Verkabelung ermöglichen es heute, riesige Datenmengen über Währungsrelationen, Kapital- und Warenbewegungen in Bruchteilen von Sekunden weltweit abzurufen und zu verarbeiten. Die Koordination weltweiter Aktivitäten, früher die Domäne weniger Unternehmensimperien und Konzerne, kann heutzutage jede mittelständische Firma bewältigen.
    Unser politisches System steht ebenfalls vor einer tiefen Zäsur: Digitale Formen der Partizipation, die wir heute in ersten Ansätzen via SMS, Twitter, Facebook oder Youtube erleben, setzen zunehmend die traditionellen Repräsentationssystemen unter Druck. Die spektakulären Erfolge der Piratenpartei zeigen, dass in weiten Teilen der Bevölkerung der Wunsch nach mehr politischer Transparenz, nach neuen und umfangreicheren Beteiligungsmöglichen besteht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Partizipationsformen sich mit der Zeit zu festen und institutionalisierten Elementen der bestehenden demokratischen Systeme entwickeln. So hat der Landkreis Friesland die durch die Piratenpartei bekannte Software LiquidFeedback eingeführt, um eine größere Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Das Hamburger Transparenzgesetz sorgt dafür, dass Daten aus Politik und Verwaltung künftig nicht mehr nur auf Antrag veröffentlicht werden, sondern Bürgern, Organisationen und Unternehmen im Internet zur Verfügung stehen. Politische und soziale Bewegungen können über die Grenzen von Organisationen und über soziale und kulturelle Barrieren hinweg Netzwerke bilden. Sie
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