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Der digitale Daemon

Der digitale Daemon

Titel: Der digitale Daemon
Autoren: Ralph Haupter
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blitzschnell zusammengeführt, ausgewertet und erreichen uns als Frühwarnsignale und Verhaltensempfehlungen noch im hintersten Winkel der Welt.
    Ob wir die enormen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, voll ausschöpfen und zum Vorteil aller nutzen werden, lässt sich heute noch nicht genau voraussehen. Denn technologischer Wandel wird von unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen und kulturellen Präferenzen mitgestaltet.
    Recht sicher hingegen ist, dass diese Cloud-Vision innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte technologisch zur Realität wird – im Grunde genommen ist sie es nämlich schon. Facebook, Windows Live, Gmail oder Twitter – bereits seit Jahren nutzen Millionen Unternehmen und Organisationen sowie nahezu alle Privatnutzer Dienste und Anwendungen, die zum Cloud Computing zählen. Wo immer wir Texte, Zahlen, Grafiken, Animationen, Bilder, Video- oder Musikaufnahmen über das Netz in fremde, zentralisierte Datenbanken einspeisen oder sie aus ihnen herunterladen, sie dort bearbeiten oder bearbeiten lassen, leben und arbeiten wir bereits in der Cloud.
    Interessanterweise sind sich viele dieser gewaltigen Dimension des Cloud Computing noch nicht wirklich bewusst. Erst seit Global Player wie Amazon, Apple, Google oder Microsoft begonnen haben, ein Datacenter nach dem anderen zu erstellen, wird der Branchenöffentlichkeit und den wirtschafts- und technologiepolitischen Entscheidungsträgern langsam klar, dass sich innerhalb der digitalen Revolution eine Zäsur auftut. Eine neue Epoche hat begonnen, in der sich das große Spiel um Innovationsvorsprünge und Wettbewerbsvorteile grundlegend verändert. Auf der Basis bekannter Internettechnologien und unter dem Druck immer größerer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufgabenstellungen haben sich neue Formen der Netz-, Hard- und Softwareversorgung herausgebildet, mit denen sich bequemer, effektiver und kreativer arbeiten lässt als je zuvor. Cloud Computing ist der Game Changer in Wirtschaft und Gesellschaft und wird den produktiven Zerstörungsprozess, der durch das Internet eingeleitet wurde, fortsetzen und beschleunigen.
    Dass man sich dieser Dimension relativ spät bewusst wurde, hat mit der Entstehungsgeschichte des Internets zu tun. Ein ausgeprägt egalitäres Denken in der Pionierphase des Silicon Valley hat dessen Entstehung tiefgreifend geprägt. Zuweilen wird dieses Denken als »Californian Ideology« bezeichnet, entstanden aus den antiautoritären Einstellungen der amerikanischen Campus-Milieus der 70er Jahre.
    Als Instrument für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern sollte das Internet einen schnellen und einfachen Zugang zu Informationen ermöglichen. Dezentralität war ein wichtiger Teil der Struktur: Kein zentrales Management verteilt Zugangsrechte, im Prinzip darf jeder alles publizieren, niemand wird zum bloßen Informationskonsumenten degradiert. Gleichzeitig tragen Standards und Normen dazu bei, dass – trotz unterschiedlichster Formate, Strukturen, Informationssysteme und Kommunikationsgemeinschaften – im Internet alles und alle miteinander verbunden sind. Jeder kann sich mit jedem austauschen und kein staatlicher oder kommerzieller Monopolist kann die globale Netzkommunikation in seinen Besitz nehmen. Wo zuvor unterschiedliche Programme installiert werden mussten, um E-Mail, Datenübertragung oder Newsgroups nutzen zu können, reicht nun ein gemeinsames Mehrzweckinstrument, der Web-Browser. Er war es, der das Internet populär machte und bald Abermillionen von Menschen den einfachen Zugang zu Informationen, aber auch zu Diensten wie Online-Banking, Home-Shopping und Videoübertragungen ermöglichte.
    Doch dieses egalitäre, dezentrale und offene Kommunikationssystem hat auch seine Schattenseiten. Es steht ebenfalls Akteuren offen, die nicht allein wissenschaftliche Interessen verfolgen. Virenattacken, Cybermobbing oder Cybercrime wurden durch die dem Internet eigenen Strukturen extrem begünstigt. 2 Die Erfinder des Internets hatten solche destruktiven bis kriminellen Nebeneffekte gewiss nicht beabsichtigt. Sie hatten sie aber eben auch nicht besonders berücksichtigt, als sie in ihren Programmen und Protokollen jeden Versuch einer inhaltlichen oder sozialen Diskriminierung ausschließen wollten.
    Und schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das Internet auch wirtschaftlichen Interessen diente. Sowohl den Interessen der Unternehmen, die einen direkten Zugang zu ihren Konsumenten suchten, als auch den
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