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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis
Autoren: Richard Doetsch
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Sie hatte ihn getäuscht.
    Plötzlich erklang aus dem Funkgerät des Wachmanns, das an Michaels Gürtel hing, das Kreischen atmosphärischer Störungen, dem Worte in einer unverständlichen Sprache folgten.
    KC blickte Michael an und brach endlich ihr Schweigen. »Über Funk wird gerade durchgegeben, dass jemand eingebrochen ist«, erklärte sie. »Niemand dürfe lebend hier rauskommen. Es soll ohne Warnung geschossen werden.«
    Michael hörte, wie in dem bislang totenstillen Gefängnis in den Etagen über ihnen Chaos ausbrach. Rasch verdrängte er seine Gefühle – wie auch die verwirrte Frage, woher KCs Fremdsprachenkenntnisse stammten –, und erkundigte sich mit leiser Stimme: »Wo ist Simon?«
    »Michael?«, rief in diesem Moment jemand aus der angrenzenden Zelle.
    Michael schloss die Tür zu seiner Linken auf – und riss sie im nächsten Moment beinahe aus den Angeln. Simon stand da, in seiner ganzen Länge von eins fünfundachtzig, bekleidet mit dunklem Hemd und dunkler Hose, beides schmutzig und zerrissen. Er sah wie ein Soldat aus, nicht wie ein Priester. Sein zerfurchtes Gesicht war mit Blutergüssen und Schürfwunden übersät, sein tiefschwarzes Haar verfilzt, wodurch die grauen Strähnen noch deutlicher auffielen als sonst. Auf seinen schwieligen Fingerknöcheln waren Striemen, die erkennen ließen, dass er seine Hände nicht nur zum Beten benutzt hatte.
    Simon sagte kein Wort, blickte Michael nur an. Michael warf ihm eine der Pistolen zu, die er den Wachmännern abgenommen hatte. Simon zog den Schlitten zurück, warf das Magazin aus, überprüfte die Waffe und machte sie schussbereit.
    »Verschwinden wir!«
    Als die drei den Gang hinuntereilten, wurde Michael klar, dass sein Einbruch ins Gefängnis soeben außer Kontrolle geraten war. Wenn er nicht schleunigst einen Ausweg fand, würde keiner von ihnen überleben.
***
    Michael, Simon und KC schlüpften durch die Hintertür in die Nacht hinaus. Wieder drang die quäkende Stimme aus dem Funkgerät des Wachmanns. Michael öffnete seine schwarze Tasche, zog den Frequenz-Scrambler heraus, dessen Rückenteil mit einem Magnet versehen war, und befestigte ihn an einem Rohr neben der Tür. Dann legte er den Schalter um und beobachtete, wie die kleinen roten Lichter zu glühen und zu flackern begannen. Er horchte auf das Funkgerät des Wachmanns; es gab nur noch kreischende Geräusche von sich. Der kleine schwarze Kasten hatte sämtliche Funkverbindungen blockiert.
    Michael griff erneut in seine Tasche, zog die beiden Objektsprung-Hilfsschirme heraus und reichte KC einen davon.
    »Weißt du, wie man so ein Ding benutzt?«, fragte er.
    »Was meinst du wohl?«, erwiderte KC.
    »Ja oder nein?«
    »Ja!«
    »Dann streif ihn dir über.«
    »Und wohin gehen wir?«, fragte KC, als sie sich den Schirm auf den Rücken schnallte.
    Michael wies zum Rand des Felsplateaus, das etwa hundert Meter entfernt war und am anderen Ende des offenen Geländes vor dem Gefängnis lag.
    Michael warf Simon den zweiten Fallschirm zu. »Du weißt, wie man …«
    Simon hob die Hand und legte sich rasch die Gurte an.
    In diesem Moment fiel KC und Simon auf, dass Michaels schwarze Tasche – seine Zaubertasche – leer war.
    »Und was ist mit dir?«, fragte KC und stopfte ihr langes blondes Haar in den Overall.
    »Macht euch um mich keine Sorgen. Wir treffen uns da unten.«
    »Kommt gar nicht infrage.« Simon funkelte Michael zornig an. »Nimm meinen Schirm. Ich finde einen anderen Weg.«
    »Ich habe doch gesagt, ihr sollt euch um mich keine Sorgen machen. Ich schaff es schon da runter.« Michael wies auf das Geländestück, das sie überqueren mussten. »Auf mein Zeichen rennt ihr beide los und springt so weit von der Klippe weg, wie ihr könnt. Zählt bis drei, dann öffnet den Schirm und steuert ihn in die Wüste.«
    »Wir können doch nicht achtzig Kilometer durch die Wüste rennen«, sagte KC.
    Michael schaute sie grinsend an. »Ich dachte, du stehst auf Extremsport.«
    Simon und KC blickten auf das freie Stück Land, das sich vor ihnen auftat, zogen die kleinen Hilfsschirme aus den Rucksäcken und hielten sie fest umschlungen.
    Michael streckte den Arm aus, um ihnen zu bedeuten, dass sie noch warten sollten. Kurz blickte er auf die Armbanduhr, sah, wie die Sekunden dahintickten, und zog die Fernbedienung aus der Hosentasche, deren hohe Frequenz über denen der blockierten Funkverbindung lagen. Dann drückte er auf den Knopf.
    Die Explosion auf der anderen Seite des Gefängnisses ließ
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