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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis
Autoren: Richard Doetsch
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erstreckte.
    Es war angenehm kühl in den Räumlichkeiten, doch der Generator war defekt, und allmählich kroch Feuchtigkeit in die Zimmer. Barabas fluchte. Es würde Wochen dauern, bis der Generator repariert war.
    Zehn Minuten waren vergangen, seit Jamer und Hank zum dritten Mal an diesem Abend losmarschiert waren, um den Strom wieder einzuschalten. Barabas wusste, dass er sich persönlich darum hätte kümmern sollen. Es gab in diesem Gefängnis niemanden, der auch nur über einen Funken Intelligenz verfügte, abgesehen von ihm selbst natürlich.
    Er hatte in der akbikischen Armee Karriere gemacht und den Rang eines Colonels erreicht – durch Ehrgeiz, Bestechung und die Beseitigung eines Generals, der Barabas’ Neigung zur Unmenschlichkeit kritisiert hatte. Bald darauf hatte Barabas sich in den Ruhestand versetzen lassen und bezog jetzt eine üppige Rente. Daneben besaß er ein dickes Bankkonto, das er seinem ausgeprägten Geschäftssinn und seiner Fähigkeit verdankte, die Menschen und das Land, die er zu schützen gelobt hatte, zu erpressen und unter Druck zu setzen. Die Stelle als Gefängnisdirektor hatte er nur deshalb angenommen, weil Chiron für ihn die perfekte Oase war, von der aus er seine Geschäfte tätigen konnte, zu denen auch das Verschwindenlassen von Menschen gehörte, von denen manche hierher nach Chiron kamen, ohne verurteilt worden zu sein. Barabas ließ sie zunächst in den Eingeweiden des Gefängnissen und schließlich in namenlosen Gräbern verschwinden.
    Nun leuchtete er mit der Taschenlampe durch sein Apartment, entdeckte sein Funkgerät und drückte den Daumen auf die Sprechtaste. »Jamer!«, brüllte er. »Wenn der Strom nicht innerhalb von dreißig Sekunden wieder da ist, lass ich dich einen Kopf kürzer machen!«
    Er wartete auf Antwort, doch sie blieb aus. Barabas kochte vor Wut. Jeder, der nicht blind gehorchte oder ihm in die Quere kam, zahlte einen hohen Preis. Und Jamer würde den höchsten Preis überhaupt zahlen. Barabas’ Männer wussten, dass er keine Hemmungen kannte, einem Untergebenen eine Kugel durch den Kopf zu jagen und seine Leiche von der Klippe ins Tal zu werfen. Sie wussten, dass er in Kriegszeiten Unschuldige wegen einer Flasche Wodka abgeschlachtet hatte.
    Barabas ging zum Kleiderschrank und streifte sich seine Uniform über, wobei er die beiden Wachmänner die ganze Zeit verfluchte. Er schnappte sich seine Pistole, sein Funkgerät und eine Taschenlampe. Dann stürmte er zur Tür hinaus.
***
    Das Wachpersonal erging sich in tatenloser Trägheit. Dass dreimal hintereinander der Strom ausgefallen war, hatte bei den Männern die Befürchtung aufkommen lassen, dass das Wetter schließlich seinen Tribut gefordert und dem hoffnungslos überlasteten Generator den Garaus gemacht hatte.
    Den meisten war die Dunkelheit im Grunde sogar recht – auf diese Weise merkte wenigstens niemand, dass sie in der Gluthitze von über vierzig Grad einnickten.
    Als sie Barabas’ Wut über den Äther ihrer Funkgeräte kommen hörten, grinsten sie vor sich hin. Obwohl keiner seine Meinung kundgetan hätte aus Angst vor Repressalien, jubelten sie innerlich, denn vielleicht musste der Direktor ja endlich mal selbst die Wüstenhitze ertragen, unter der sie ständig zu leiden hatten.
    Die Gefangenen schliefen und bekamen nichts mit, da ihre Zellen weder über Licht noch über Strom verfügten; Sonne und Mond waren die einzigen Lichtquellen, die es seit anderthalb Jahrhunderten in den Gefangenenblöcken gab.
    Den Häftlingen und dem Wachpersonal machte der Stromausfall deshalb nichts aus, nicht einmal dann, wenn er tagelang anhielt. Sie brauchten den Strom schließlich nicht. Und es war ja nicht so, als hätten sie wichtige Termine.
***
    Michael steckte den Schlüssel, den er dem Wachmann abgenommen hatte, ins Schloss. Dabei richtete er den Blick auf KCs Augen. Ihr Gesicht war starr wie eine Maske. Sie trug einen schwarzen zerrissenen Overall, der nicht die Standardkleidung des Gefängnisses war, dazu passte er zu perfekt. Ihr Gesicht und ihre Hände waren mit Schmutz und Unrat verschmiert. Michael konnte vor Verwirrung keinen klaren Gedanken fassen, als er auf die Frau blickte, die ihn vor zehn Tagen verlassen und seither kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte.
    Doch die Verwirrung wandelte sich rasch in Wut. KC war zu klug und zu geschickt, als dass sie aus Versehen hier sein konnte. Michael begriff, dass der eine Monat, den sie miteinander verbracht hatten, nichts als Lüge gewesen war.
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