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Der Diamant im Bauch der Kobra

Der Diamant im Bauch der Kobra

Titel: Der Diamant im Bauch der Kobra
Autoren: Stefan Wolf
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Hecke.
    „Ich mach mal den Scout, den
Späher“, sagte Tim. „Sieht nämlich so aus, als wäre Mortibodi nicht da.“
    „Finde ich auch“, nickte Gaby.
„Es ist total still und vor den Fenstern sind die Läden geschlossen.“
    Tim stieg aus und betrat durch
die Pforte das Grundstück. Zum Nachbarn, dem letzten rechts, grenzte nur ein
Drahtzaun ab. Dahinter bemühte sich ein Opa, mit der Luftpumpe das Hinterrad
einer alten Tretmühle fahrtauglich zu machen. Jetzt hielt er inne, verschnaufte
und fluchte leise. Hinter Tim klapperte die Pforte.

    „Ich muss mir mal die Füße
vertreten“, sagte Gaby und pustete gegen ihren Pony. „Jedenfalls habe ich das
gesagt.“ Tim nahm seine Freundin an der Hand und sie gingen zum Haus.
    „Aber in Wahrheit willst du
unter vier Augen mit mir reden.“
    Sie nickte. „Was für einen
Eindruck hast du von Mike?“
    „Der ist okay. Ich glaube ihm
jedes Wort. Aber für den Blue Truth hat er schlechte Karten. Zu viel Zeit ist
vergangen. Und dass der Experte Youngblood den Klunker auf der Vermissten-Liste
hat, bedeutet nicht unbedingt, dass der Blue Truth tatsächlich noch verschollen
ist. Denn mit diesen riesigen Diamanten verhält es sich wie mit riesigen
Immobilien — mit Schlössern und Burgen, zum Beispiel. Man kann sie nur sehr
schwer verkaufen. Weil’s nur wenige Leute gibt, die derart in Geld schwimmen,
dass sie die Kohle dafür rauswerfen. Deshalb sind kleine, bezahlbare Diamanten
die bessere Währung — zumindest für die schnelle Mark.“
    „Du meinst, jemand könnte den
Blue Truth in 20 kleine, aber immer noch schöne Diamanten zerlegt haben —
zerlegt haben lassen von einem Diamantenschleifer?“
    „Das ist leider möglich.“
    „Das wäre ja, als... würde man
ein Kunstwerk zerstören.“
    „Genau so.“
    „Ob Mike das weiß?“
    „Bestimmt weiß er das, Gaby.
Aber er ist ein Jäger. Er will die Jagd. Ich glaube, die ist ihm wichtiger als
der Diamant. Und bei der Jagd geht’s auch um seine Stammesgeschichte, um die
Wurzeln seiner Familie. Um diese grausige Verfolgung. Vielleicht will er
feststellen, wie’s im heutigen Deutschland aussieht. Wie hier der Hass
gehandhabt wird — Hass auf Ausländer, Randgruppen und alle, die angeblich nicht
ins Bild passen.“
    „Ich mag alle Menschen — nur
die Kriminellen nicht.“ Gaby blieb stehen und bückte sich, um den Riemen an
ihrer Sandale zu richten — links, wo sie auch das goldene Fußgelenk-Kettchen
trägt, ein Geschenk von Tim. Ein kleines goldenes Herz ist auch dran. Das
blinkte jetzt in der Sonne. Die stand schon tief, denn der Nachmittag neigte
sich.
    Das Haus wirkte verrammelt und
verschlossen – und total privat. Wäre da nicht ein Messingschild neben dem
Eingang gewesen – Ulrich Mortbodi / Tierpräparator / An- und Verkauf
antiquarischer Präparate — wäre die Adresse nur ein Wohnhaus gewesen.
    Tim hatte dreimal geklingelt —
ohne viel Hoffnung. Und so war’s auch. Im Haus regte sich nichts,
    „Entweder verstorben,
ausgewandert oder im Urlaub, Gaby.“
    „Oder er will seine Ruhe
haben“, lachte sie.
    Sie gingen zurück. Der Opa
nebenan war immer noch mit seinem Drahtesel beschäftigt, aber das Hinterrad sah
schon recht stramm aus.
    „Hallo!“, grüßte Tim lautstark.
„Wissen Sie, wo Herr Mortibodi ist?“
    Ohne den Kopf zu heben,
erwiderte der Alte: „Im Urlaub. In Italien. Kommt erst in zwei Wochen zurück.
Gott sei Dank! Dann stinkt’s mal nicht aus allen Ritzen nach verwesendem
Tierkadaver.“
    „Ah ja“, meinte Tim. „Er ist ja
Präparator. Riecht man das?“
    „Ich rieche es.“ Der Opa
blickte her. „Er meint zwar, ich bilde mir das nur ein. Aber auf meine Nase ist
Verlass.“
    Die erwies sich beim näheren
Hinsehen als gewaltiger Kolben mit vielen roten Äderchen.
    „Wäre kein Beruf für mich“,
sagte Gaby.
    „Nee“, nickte der Alte, „ich
find’s auch widerlich — dieses Totenreich der Tiere. Aber Mortibodi arbeitet
Tag und Nacht. Möchte nur wissen, wo der seine Kunden herkriegt.“
    „Was sagt er denn?“, forschte
Tim.
    „Der behauptet, nahezu alle
Tierhalter — egal ob sie Hunde, Katzen, Papageien oder Schildkröten haben —
wollen sich nicht von ihren Lieblingen trennen, wenn die das Zeitliche segnen,
sondern wollen sie weiterhin um sich haben: als ausgestopfte Präparate. Und
deshalb blüht bei Mortibodi das Geschäft.“
    „Diese Behauptung ist doch
völliger Blödsinn“, ereiferte sich Gaby. „Die wenigsten Tierhalter denken so!
Eine verschwindende
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