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Der Diamant im Bauch der Kobra

Der Diamant im Bauch der Kobra

Titel: Der Diamant im Bauch der Kobra
Autoren: Stefan Wolf
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immer noch verschollen
ist.“
    „Verschollen! Seit damals. Seit
November 1935. Mein Vater war der Letzte, der ihn in der Hand hielt. Seit 63
Jahren schlummert dieses nur pflaumengroße Wertstück irgendwo im Verborgenen —
in Großvaters Versteck.“
    Stille. Alle ließen die
Feststellung auf sich wirken. Und jeder schien zu spüren, dass an der
Behauptung was dran war.
    „Was haben wir damit zu tun?“,
fragte Karl. „Weshalb kommst du zu uns?“
    Mike lächelte mit leichter
Verlegenheit und richtete den Blick auf Elisabeth Vierstein.
    „Die Villa meiner Großeltern
war das sogenannte Fliederschlösschen am Weidenanger Nr. 27. Ich war vorhin
dort und habe mich vergewissert: Das Haus existiert noch, scheint sogar
unverändert zu sein.“
    „Alles klar“, erwiderte
Elisabeth. „Wir haben von 1968 bis Anfang der 80er Jahre dort gewohnt. Bevor
wir dieses Grundstück hier kauften. Aber — um es gleich zu sagen, Mike — den
Blue Truth haben wir nicht gefunden.“
    Mike nickte. Für einen Moment
war seine Miene mutlos. Dann presste er die Kiefer zusammen und sein Lächeln
kehrte zurück.
    „Mit Ihrer Familie, Frau
Elisabeth, verbinde ich auch nur geringe Hoffnung. Denn vor Ihnen war unsere
alte Villa von anderen Leuten bewohnt. Das habe ich schon herausgefunden. Eine
Familie wohnte dort von Ende 1935 bis Mitte 1947. Deren Nachfahren sind jetzt
in Wien. Danach war eine andere Familie bis 1968 dort zu Hause. Diese Leute und
deren Kinder sind dann nach Hamburg gezogen.“
    „Wenn wir Ihnen irgendwie
helfen können, Mike“, sagte Karls Mutter, „tun wir das gern. Aber ich wüsste
nicht, wie?“
    „Ich folge einer waghalsigen
Idee. Sie beruht auf den Erzählungen meines Vaters über Großvater Baldur. Der
hatte nämlich ein etwas seltsames Hobby. Er sammelte Tierpräparate. Also
ausgestopfte Tiere. Was damals noch kein Frevel war, weil der Tierschutz in den
Kinderschuhen steckte, weil man Löwen jagte, Tiger, Elefanten, Nashörner und
Echsen, weil damals noch Pelzmäntel was Tolles waren und der Mensch ein
ziemlich steinzeitliches Verhältnis zu seinen Mitgeschöpfen hatte. Ein
ausgestopfter Luchs, ein ausgestopfter Papagei, eine präparierte
Klapperschlange — darüber hat damals niemand die Nase gerümpft.“
    „Vermutest du“, fragte Tim
sofort, „dass Großvater Baldur ein Tierpräparat als Versteck benutzt hat?“
    Mike hob die Schultern, aber
das wirkte eher bestätigend. „Er hatte einen ausgestopften Soldaten-Ara. Das
heißt, total ausgestopft war dieser Papagei nicht, sondern größtenteils hohl.
Im Gefieder war sogar ein Reißverschluss angebracht. Und wenn zu Ostern Eier
versteckt wurden — so erzählte mein Vater — dann war mit Sicherheit ein Osterei
in dem Ara.“
    „Als wir das Fliederschlösschen
bezogen“, sagte Elisabeth, „waren alle Räume leer. Keine Hinterlassenschaft von
irgendeinem Vormieter. Allerdings erinnere ich mich, dass auf dem Dachboden
zwei Truhen standen. Aber die enthielten nur alte gebündelte Jahrgänge einer
Tageszeitung. Ein wertvoller Fund — sicherlich von Ihrem Großvater, Mike, denn
es war aus der Zeit von 1918-33. Mein Mann hat es dem städtischen Archiv
überlassen. Die Truhen waren schon sehr alt und defekt. Sperrmüll.“
    „Und keine verstaubten
Tierpräparate irgendwo in einer Ecke des Dachbodens?“
    „Tut mir leid. Nein.“
    „Die ersten Mieter — die von
1935, die müssen sie gefunden haben. Dann werde ich mich also um diese Leute
kümmern. Ja, ich fahre erst mal nach Wien. Und wenn das nichts bringt, dann
nach Hamburg.“ Er grinste. „Ich bin Professor für amerikanische Literatur an
der Northeastern University in Boston. Zur Zeit sind Semesterferien und ich
kann wochenlang hierbleiben.“
    Also doch ein Professor, dachte
Tim und war beeindruckt. Dann — um sein Bild von der Familie
Schulze-Breitland-Brigland zu vervollständigen — stellte er eine Frage.
    „Als Patrick-Norbert, dein
Vater, damals allein in die USA kam — wie ging’s dann für ihn weiter? Er war ja
erst 15.“
    „Es war anfangs eine schwere
Zeit“, nickte Mike. „Er hatte seine Eltern verloren und die Heimat. Aber er kam
unter bei Freunden in Springfield in Virginia und...“
    „Was?“, rief Gaby.
„Springfield in Virginia? Dort
habe ich eine Brieffreundin. Joan Collins. Zu der fahre ich nächste Woche. Und
im nächsten Sommer kommt Joan hierher. Ist eine Art privater Schüleraustausch.
Tim kommt mit.“

    „Eine Bereicherung für die
deutsch-amerikanische
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