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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch
Autoren: Laabs Dirk
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klarmachen, dass jeder DDR-Bürger Anteilsscheine am »Volkseigentum« bekommen muss, damit er eine Chance in der Marktwirtschaft hat.
    Auch Werner Schulz vom Bündnis 90, das aus dem Neuen Forum hervorgegangen ist, kämpft mit dem Konzept »Anteilsscheine für jeden Bürger« um Wählerstimmen. Er erinnert sich später: »Eigentum verpflichtet, das ist der Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft. Wir wollten diesen Grundsatz mit Leben erfüllen, indem wir Eigentum unter die Leute bringen. Aber die schauten uns dann doch verblüfft an: ›Was, ich soll was bekommen? Wie viel denn? Ist das denn überhaupt so viel wert?‹ Wenn man dann die Diskussionen
auf den Marktplätzen geführt und gesagt hat: ›Na liebe Frau, die Wohnung, die Sie jetzt haben, die werden Sie nicht mehr mit 23 Mark Miete bezahlen können. Es wäre doch sehr gut, wenn die vier Leute in der Familie ihr Kapital zusammenlegen und diese Wohnung mit diesen Kapitalanteilsscheinen erwerben, dann sind sie zumindest die eine Sorge los, dass sie ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können.‹ Das leuchtete dann eher ein, so nach dem Motto: ›So ist das gedacht. Ja, davon habe ich überhaupt noch nichts gehört. Wieso kommt das nicht in der Zeitung, im Fernsehen?‹ Wir mussten dann sagen: ›Wir sind gerade erst gestartet, wir haben leider noch keine große Zeitung, und diejenigen, die das Fernsehen haben und die großen Zeitungen, sind daran nicht interessiert.‹«
    Im DDR-Fernsehen stößt der Vorschlag allerdings durchaus auf Interesse. Schulz, Artzt und Gebhardt bekommen hier sogar Schützenhilfe. In einer Talkshow tritt ein schillernder und erfolgreicher westdeutscher Vermögensberater auf: Albrecht Graf Matuschka. 9 Der Graf gründete Ende der 1960er die Matuschka-Gruppe in München und legte – unabhängig von den großen Banken – das Geld vieler reicher Deutschen an. 1990 gilt er noch immer als Star der Anlagebranche. Matuschka stammt aus Berlinchen bei Frankfurt an der Oder und wuchs in Potsdam auf, wo sein Vater, ein Wehrmachtsoffizier, eine Wohnung hatte. In der Sendung gibt sich Matuschka als engagierter Vertreter der ostdeutschen Interessen. Er sagt »wir«, wenn er über die Ostdeutschen redet. Der Graf ist ein schlanker Mann mit hochgezogenen Schultern, langen, vorstehenden Zähnen. Seine Haare sind nicht akkurat frisiert. Seit seiner Kindheit ist er auf Krücken angewiesen. Er wirkt wie ein Wissenschaftler und nicht wie ein erfolgreicher Anlageberater. 10 Die Wirtschaftspresse hat viele Bezeichnungen für ihn: »liebenswerter Chaot«, »Finanzmagier«, »Guru«.
    Matuschka sagt in der Sendung: »Brauchen wir nicht zusätzlich zur Währungsreform eine Kapitalreform? Denn wenn man das wörtlich nimmt, wir sind das Volk, haben wir ja eigentlich 40 Jahre hart gearbeitet für eine Zwangssparkasse, die Vater Staat gehört. Aber wer ist denn der Staat? Das ist das Volk und das sind wir. Daher glaube ich, dass wir mit einer Kapitalreform dem Bürger zeigen können, dass er über Besitz oder Eigentum verfügt. Denn im Grunde genommen gehört ihnen ein Sechzehnmillionstel dieses Staates.«
    Die Redaktion hat für die Show eine Volksaktie aus Pappe gebastelt, die immer wieder eingeblendet wird. »Diese Aktien bekommen Sie nicht geschenkt, sondern Sie haben sie in 40 Jahren härtester Arbeit erarbeitet. Nur
der DDR-Bürger bekommt sie, denn der hat doch gearbeitet. Wir wollen doch nicht das Volksvermögen der DDR morgen verschenken«, sagt Matuschka: »Wenn der Bürger das versteht, dann hat er kein Interesse, zum Beispiel in die Turnhalle nach Stuttgart zu gehen. Die verschenken doch was, wenn sie rübergehen. Da brauchen wir gar nicht die Zustimmung vom Westen, das können wir aus der DDR selbst heraus machen.«
    Schließlich legt er den Finger in eine westdeutsche Wunde: Könnte man nicht so auch viel effizienter und unabhängiger als die Bundesrepublik die Wasser- und Energiewirtschaft in Ostdeutschland organisieren?
    Jede Aktie hätte verschiedene Coupons, die wiederum einen Anteil an verschiedenen Kombinaten darstellen. Die würden viele Interessenten kaufen wollen – Matuschka nennt in der Sendung auffallend oft Investoren aus Japan. Der Wert der Coupons könnte sich verzehnfachen und irgendwann bei 400 DDR-Mark liegen.
    Der Moderator fragt verblüfft: »Gibt es dafür Bespiele?« Matuschka antwortet: »Ja, Hunderte, Hunderte. Wir reden nur über bestehende Dinge. Nichts Neues, in den Finanzen gibt es nie was Neues. Stellen Sie sich mal vor,
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