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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch
Autoren: Laabs Dirk
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Konkurrenzkonsortium aus fünf westdeutschen Versicherern ist bereits ausgestochen worden.
    Mehrere Arbeitsgruppen werden gegründet, die das Geschäft vorbereiten. Schließlich schafft der Ministerrat der DDR am 8. März die gesetzliche Grundlage für den Handel: Die Arbeit der staatlichen Versicherung wird auf marktwirtschaftliche Prinzipien umgestellt. Zum 1. Mai wird sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, an der eine ausländische Firma bis zu 49 Prozent halten darf.
    Zu diesem Zeitpunkt steht schon fest, dass das die Allianz aus München sein wird.
    12. März 1990, Leipzig
    Die Leipziger Messe findet zwei Mal pro Jahr statt, im März und im Herbst, und dauert dieses Jahr bis zum Samstag vor der Wahl. Sie ist das Schaufenster der sozialistischen DDR-Wirtschaft. Hier versucht die ostdeutsche Industrie, einen Weltstandard zu präsentieren, den sie nur auf wenigen Gebieten wirklich erreicht. Die Westindustrie zeigt sich, um Geschäfte im Osten zu machen. Tausend Aussteller kommen dieses Jahr aus Westdeutschland, ein Rekord. 16 Die Ausstellungshalle ist überbucht.
    Die Messe im März 1990 erlebt die letzten Tage der sozialistischen DDR. Noch immer ist völlig offen, wer die Wahl am kommenden Wochenende gewinnen könnte und was aus der DDR wird. Und es ist ungewiss, wie schnell und unter welchen Bedingungen die Einheit kommt.
    Seit der Ankündigung Helmut Kohls, dass die D-Mark auch in die DDR kommt, hat sich Leipzig radikal verändert. An den Häuserwänden hängen Plakate, auf denen westdeutsche Politiker zu sehen sind, auf den Straßenbahnen klebt Werbung für westdeutsche Produkte, in der ehemaligen Kantine der Stasi-Zentrale hat ein Ehepaar aus Rheinland-Pfalz eine Kneipe
eröffnet. Die Straßen sind voller westdeutscher Autos der Marken BMW, Daimler, Audi. Siemens hat Hochglanzprospekte einfach vor dem Haus der Mode auf die Straße kippen lassen.
    Über der Stadt kreisen Hubschrauber, die Vorstandsvorsitzende zum Messegelände fliegen. 17 Dort präsentieren sich die Branchengrößen aus dem Westen mit aufwändigen Ständen. Sie sind in Lauerstellung, wollen Kontakte knüpfen, Informationen sammeln, die kommenden Mächtigen beeindrucken. Thyssen präsentiert seine Magnetschwebebahn Transrapid als Modell in einem Plexiglas-Kasten, vor dem die Besucher ehrfürchtig verharren. SEL Alcatel führt Computer vor, die automatisch Produktionsabläufe in Fabriken steuern können – ohne dass Arbeiter nötig wären. Mannesmann-Vertreter berichten auf der Messe über das Mobilfunknetz, das ihr Unternehmen mit Erlaubnis der Deutschen Post aufbauen darf – »D2« soll es heißen. Der Generaldirektor eines Werkzeugmaschinenbau-Kombinates wird am Rand der Messe gefragt, ob er sich von den Westdeutschen vereinnahmt fühle: »Das ist keine Frage des Gefühls. Wir werden vereinnahmt.« 18
    Auch der Stahlkonzern Krupp ist in Leipzig, angeführt von seinem Vorstandschef Gerhard Cromme, der in Westdeutschland als der Inbegriff des ehrgeizigen und gnadenlosen Managers gilt. Vor drei Jahren hatte er, soeben erst auf den Posten des Vorstandschefs gelangt, die Schließung des Stahlwerks in Duisburg-Rheinhausen angekündigt und damit den Abbau von 6000 Arbeitsplätzen. Die Proteste bewegten ganz Westdeutschland und wurden auch in den Sendungen des DDR-Fernsehens gezeigt, und zwar als Beispiel dafür, wie gnadenlos der Klassenfeind mit Arbeitern umspringt. Cromme hat das ebenso wenig beeindruckt wie die Eier, mit denen er in Duisburg beworfen wurde, oder die Drohung der Stahlarbeiter: »Du eiskalter Hund. Wir machen dich fertig!« 19
    Auf der Leipziger Messe empfängt er am Krupp-Stand Ministerpräsident Modrow und dessen Wirtschaftsministerin Christa Luft. Der Ansturm der Fotografen und Kamerateams ist enorm, als die Delegation der DDR-Regierung und der Tross des Krupp-Chefs aufeinandertreffen. Die SPD-Politiker Walter Romberg und Matthias Platzeck stehen am Rand. Eben hat Cromme noch den Redefluss von Johannes Rau, SPD-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, unterbrochen, weil er selbst dringend etwas in die Fernsehkameras sagen will: »Die Chancen sind größer als die Risiken, und deshalb braucht die Bevölkerung keine Angst zu haben, denn man sieht es ja am Beispiel der Bundesrepublik, wohin die soziale Marktwirtschaft führen kann.« 20

    Nun steht der wesentlich kleinere Modrow vor ihm. Der DDR-Ministerpräsident sieht blass und müde aus. Er wirkt wie ein Besucher auf exterritorialem Gelände. Cromme dagegen ist in
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