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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch
Autoren: Laabs Dirk
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internationalisiert: »Jedes Unternehmen hat drei Werte. Da ist der Substanzwert, der ist bei Ihrer Industrie null oder vielleicht sogar im Minus. Eine Eröffnungsbilanz brauchen wir da nicht zu machen. Zweitens gibt es den Marktwert, den können wir momentan nicht einschätzen. Aber es gibt einen dritten Wert, und der interessiert uns sehr, das ist der Opportunitätswert. Das heißt, wir bekommen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine verstärkte Globalisierung. Deswegen wäre es für uns jetzt sehr interessant, in Ostdeutschland zu investieren und Co-Eigentümer zu werden, denn in der DDR gibt es jede Menge gut ausgebildeter Fachkräfte.«
    Genau darauf hatten Artzt und Gebhardt gehofft. Die DDR-Volkswirtschaft hat einen Wert. Könnte man durch internationale Investoren Kapital nach Ostdeutschland holen? Könnte man unabhängig von Westdeutschland bleiben, das wirtschaftliche Schicksal selbst bestimmen?
    Sato legt nach: »Es geht nur darum, diese einmaligen Positionen zu besetzen. Man muss nach Europa hineinkommen, Eigentumstitel erwerben, was nicht so ohne weiteres möglich ist, und kann dann aus dieser Position heraus die Märkte in Europa bedienen. Ein Windhundrennen um die besten Plätze in Ostdeutschland hat bei Ihnen begonnen.«
    Aber dann: »Das wird aber nicht funktionieren, die westdeutschen Konzerne werden das nicht zulassen. Die Verbände und die Bundesregierung ebenfalls nicht. Wir würden auch bei uns niemanden hereinlassen. It’s a closed shop.«
    Damit ist alles gesagt. Man bleibe in Kontakt, verspricht Sato.

    Artzt und Gebhardt sind trotzdem euphorisch. Sie fühlen sich, als stünden sie hoch auf einem Drahtseil, den Wind steif im Gesicht. Die beiden Abgesandten des Runden Tisches verstehen sich als legitime Vertreter der ganzen DDR. Sie wollen nicht nur Vorschläge machen, sondern auch dafür sorgen, dass sie in die Tat umgesetzt werden. Dass sie – ähnlich wie andere DDR-Akteure  – auf eigene Faust handeln, weil sie das Mandat des Runden Tisches sehr weit fassen, sehen sie nicht.
    »Niemand anders hat sich in dieser Zeit mehr um die Wirtschaft unseres Landes gekümmert, wir wollten nur helfen«, sagt Gebhardt später.
    Auf dem Rückflug werden sie bei ihrem Zwischenstopp in Zürich ausgerufen. Ein Anruf für Herrn Artzt. Das Gespräch wird zu einer Telefonzelle des Flughafens durchgestellt. Sato ist am Apparat: »Ich habe mit Tokio gesprochen. Wir wollen investieren. Sie hören von uns.«
    Breitling hatte den beiden noch gesagt: »Wenn die Japaner wirklich interessiert sind, dann wird etwas passieren, das werdet ihr merken.«
    Artzt und Gebhardt bitten den Mann von der »Financial Times« schließlich, ein Schild in sein Genfer Büro zu hängen mit der Aufschrift »DDR International. Open for business and investments«. 4
     
    In Ost-Berlin wartet ein Auto des staatlichen Fernsehens der DDR, des Deutschen Fernsehfunks (DFF), wie der Sender seit kurzem wieder offiziell heißt, am Flughafen. Matthias Artzt und Gerd Gebhardt werden direkt zu der Diskussionsrunde »Zur Sache« in ein Studio gefahren. Thema der Sendung: »Wem gehört das Volkseigentum?«
    Um die Moderatorin Katrin Müller und ihre Gäste liegen überdimensionierte, zerknüllte, graue DDR-Mark-Scheine aus Pappmaschee herum, hinter der Runde leuchtet, in grellem Blau, ein Hundert-Mark-Schein aus dem Westen. Müller heißt die Fernsehzuschauer willkommen zu der Sendung, »in der es heute die Frage zu klären gilt: ›Wem gehört das Volkseigentum? ‹, beziehungsweise, rettet eine Holding-Gesellschaft unser Volkseigentum? Wir stehen also vor der Aufgabe, eine adäquate Rechtskonstruktion zu finden, um unser Volkseigentum zu retten, ja vor dem so genannten Ausverkauf zu bewahren.« 5 Gebhardt, noch unter den Eindruck der Genf-Reise und dem Treffen mit Sato, antwortet selbstbewusst: »Das Volkseigentum gehört natürlich uns, dem Volk. Es geht also nur noch um die Frage, wie können wir es in unseren Besitz bringen. Volkseigentum, da kann sich jeder etwas drunter vorstellen, das sind die großen Fabriken, die Ländereien und nicht zuletzt diese Kamera, wo ich wieder dieses kleine Schild entdecke: Volkseigentum.
Bisher hat sich niemand so recht damit identifizieren können, und niemand glaubte, dass es ihm gehören könnte. Die Zeit ist reif, wir können es jetzt bekommen. Woraus besteht überhaupt ein Problem [sic], dass es nicht uns gehören könnte, das ist die Ausgangsfrage. Es muss angenommen werden, dass es unser legitimes,
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