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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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umkam, oder? War das nicht 'n Ding? Siebenundvierzig Stunden vorm Ziel. Heiland! Haste zufällig 'n Wetterbericht gesehen?« Und der verrunzelte Cop rannte zum Fenster, um zu gucken, ob es schon blitzte. Nachdem er nichts gesehen hatte, kehrte er zu seinem Hocker zurück und kippte einen doppelten Bourbon runter.
    Dann fing der Detective an, sich an den verschiedenen Unterhaltungen, die an der Bar liefen, zu beteiligen. Das führte allerdings schnell dazu, daß er sich immer einsamer fühlte. Meistens murmelte er bloß vor sich hin und nickte zu allem, was gesagt wurde, sein Ja und Amen, bloß um die Leute auf den Barhockern nebenan nicht zu verletzen, obgleich die meisten längst so betrunken waren, daß ihnen sowieso alles scheißegal war.
    Ein dicker, rothaariger Cop kriegte plötzlich den Moralischen und verkündete unter Tränen: »Meine Frau läßt sich von 'nem Nigger bürsten! Könnt ihr euch so was vorstellen?«
    Was Cecil Higgins, einen grauhaarigen schwarzen Streifencop, zu der Bemerkung veranlaßte: »Hättste eben kein Niggerliebchen heiraten dürfen!«
    »War doch keine Beleidigung, Cecil«, sagte der Cop mit dem Moralischen weinerlich. »Ich hab dich da im Düstern überhaupt nicht gesehen!«
    »Nächstes Mal roll ich die Augen, dann kannste mich besser erkennen«, sagte Cecil Higgins. Dann wandte er sich an den Detective und sagte: »Ruf mal besser gleich beim Anonymen-Alkoholiker-Notdienst an, Mario. Das Arschloch hier schafft doch keine zwei Blocks mehr, wenn er fährt. Das Arschloch ist sogar zu besoffen, um zu Fuß zu gehen.«
    Die Augen des Detectives schmerzten immer mehr. Lag das am Smog in Los Angeles? Oder an diesem ständigen Qualm in Leerys Saloon? Die Schmerzen schienen aus einem Bereich hinter den Augen zu kommen. Er trank sein halbvolles Wodkaglas auf einen Zug halb leer, seufzte mehrfach und massierte sich die Schläfen. Dann sah er den Rausgeschossenen Sittencop.
    Der Sittencop starrte auf sein eigenes Bild in Leerys zersplittertem Barspiegel, den der Schreckliche Tscheche neulich kaputtgemacht hatte, als er nach dem Verlesen eines besonders infamen Leitartikels in der Los Angeles Times die Zeitung zusammenknüllte und quer durch den Saloon schleuderte, woraufhin sich der Spiegel in ein Spinnennetz verwandelte. Einige hatten daraufhin gemeint, dies sei die bemerkenswerteste Demonstration von Kraft gewesen, die sie jemals in Leerys Saloon miterlebt hatten. Andere wiederum vertraten die Ansicht, das Ganze sei nur durch das Gewicht der Times möglich gewesen, in der ja mehr Anzeigen standen als im Versandhauskatalog von Sears.
    Der Sittencop sah sich an in dem netzförmig zersprungenen Glas, und sein Ebenbild war zerbrochen. Die Augen lagen nicht auf einer Höhe. Ein Teil seines weichen blonden Bartes wuchs dort, wo eigentlich seine Stirn sein sollte. Von Zeit zu Zeit drehte der Sittencop den Kopf hin und her, und er war von der Art und Weise, wie die Scherben und Sprünge sein zerbrochenes Spiegelbild veränderten, offensichtlich äußerst fasziniert. Er bewegte sein zartes Gesicht immer nur unheimlich vorsichtig. Er hatte große, schwarze Pupillen. Augen wie Einschußlöcher.
    Mario Villalobos sah dem bärtigen jungen Sittencop, der einen ausgeschnittenen Pullover und kurze Hosen trug und eine Strähne seines strohblonden, schulterlangen Haares mit einer Kette aus türkisfarbenen Perlen zusammengebunden hatte, interessiert zu. Um den Hals des Mannes schlang sich ein ebenfalls türkisfarbenes Band, das zu der Kette paßte. Er sah ganz und gar anders aus als die anderen, die als uniformierte Cops in der Rampart-Tagesschicht arbeiteten und nach Feierabend mit ihren Baumwollhemden, Jeans und Joggingschuhen oder Cowboystiefeln eher ziemlich konventionell angezogen waren. Praktisch jeder Mann im Saloon trug auch einen riesigen Machoschnurrbart, ein fast ebenso obligatorischer Bestandteil seiner Polizeiausrüstung wie die Freizeitkanone unter dem Hemd. Beim Los Angeles Police Department gab's mehr Schnurrbärte als bei der irakischen Armee. Nur der Detective und Hans, der K-9-Cop, waren glatt rasiert.
    »Wo arbeitet der?« fragte der Detective Cecil Higgins.
    Und der alte Streifencop, der auf den Grund seines leeren Scotch-Glases gestarrt hatte, sagte: »Wer? Der Rausgeschossene Sittencop? Ich hab gehört, daß der in Hollywood arbeitet. Hier taucht der seit ungefähr drei Wochen regelmäßig auf. Reden tut er nicht viel. Starrt sich am liebsten immer selber im Spiegel an. Ich glaub, der hat
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