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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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normalen Vormittag. Der erste Punkt auf dem Tagesprogramm der beiden Streifencops war eine Razzia in Leos Love Palace, einer Alvarado-Bar, in der hauptsächlich Kubaner, Puertoricaner, Mexikanos, Guatemalteken, Dominikaner und Salvadorianer verkehrten. Leo, ein Pima-Indianer, verachtete alle diese Latinos aus tiefstem Herzen, sogar noch weit mehr als das riesige Bleichgesicht und den alten Nigger, die ihm gerade mal wieder auf die Bude rückten, um nach dem Rechten zu sehen, und in deren blutunterlaufenen Augen die schiere Agonie stand. Leo mixte den Streifencops, ohne daß sie ihn darum gebeten hätten, sofort ihre Morgen-Alka-Seltzer.
    Drei Salvadorianer tänzelten ganz schnell aus der Hintertür, noch ehe sie ihr Bier zu Ende getrunken hatten, was Cecil Higgins, der gerade seine Dienstmütze abgesetzt hatte und sich den schmerzenden Kopf massierte, zu der Bemerkung veranlaßte: »Da muß ja am Wochenende 'n irrer Fischzug in Sys Kleiderladen gelaufen sein. Da, die drei, die hatten echte Calvin-Klein-Jeans an.«
    »Oh, mein Schädel!« sagte der Schreckliche Tscheche weinerlich. »So schlimm war's ja noch nie. Red bloß nicht so laut, Cecil.«
    Gleich nach diesen Worten trank der Schreckliche Tscheche sein Glas mit Alka-Seltzer aus und stöhnte nochmals, und gerade als er den in seinem drahtigen schwarzen Schnurrbart hängengebliebenen Schaum ablecken wollte, kam, fröhlich mit den Fingern schnalzend, ein schwarzer Puertoricaner durch die Tür, dem gleich zwei funkelnagelneue glitzernde Radios das Musikprogramm der Station KROQ in die Ohren dröhnten.
    Er sah die beiden verkaterten Blauröcke an der Bar, sagte »Oje« und verzog sich, schnell wie der Blitz, wieder auf die Alvarado Street.
    »Scheiße«, sagte Cecil Higgins. »Dieses Arschloch ist heute morgen echt schon der fünfte Dieb, der sich die verdammten Ohren mit solchen brandneuen Krachmachern kaputtmacht. Raymonds Stereo-Center muß übers Wochenende ratzekahl ausgeplündert worden sein.«
    »Entweder krieg ich sofort 'n Lungenzug frischen Smog, oder ich fall tot um, Cecil«, jammerte der Schreckliche Tscheche und taumelte aus Leo's Love Palace auf den belebten Bürgersteig, und der ältere Cop, der sich immer noch seinen kaum noch vorhandenen Skalp rieb, stiefelte hinterher.
    »Jesus Christus fährt Rollerskate!« brüllte der Schreckliche Tscheche plötzlich.
    »Scheiße, ja, das isser tatsächlich«, nickte Cecil Higgins, und die beiden Streifencops verließen schleunigst den Bürgersteig, damit Jesus Christus, wahrhaftig auf einem Rollerskateboard, vorbeiwedeln konnte.
    Er trug einen knöchellangen, schmutzigen grauen Sari und schulterlanges, schmutziges braunes Haar und einen Vollbart, und seine blauen Augen waren weit aufgerissen. Er war ungefähr so schmal wie das Skateboard, auf dem er daherkam, und hätte auf gar keinen Fall das über zwei Meter große Kreuz aus Vierkanthölzern tragen können, wenn er nicht so einfallsreich gewesen wäre, am Fuße seines Kreuzes einen zusätzlichen Rollschuh anzubringen, was nach Ansicht von Cecil Higgins immerhin bewies, daß er wahrscheinlich zwar verrückt, aber nicht dumm war. Seine Mission schien er darin zu sehen, alle zwanzig Meter oder so anzuhalten, das Kreuz auf die Straße zu legen und aus vollem Hals zu schreien: »Bereitet euch auf meine Ankunft vor!«
    Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hatte auch er sich einen von diesen Trommelfellbombardierern fest um den Hals gebunden, einen Apparat, aus dem allerdings wenigstens nicht dieses KROQ-Programm dröhnte. Er hatte statt dessen eine fromme Kassette ausgewählt, auf der über das Leiden Christi berichtet wurde.
    »Fragste dich da nicht automatisch, ob dieser Rollerskatechristus nicht sogar der Oberpriester von der Gang is, die Raymonds Stereo-Center leer gemacht hat?« sagte Cecil Higgins äußerst nachdenklich.
    »Vielleicht liegt's ja an diesem billigen Gesöff bei Leery«, seufzte der Schreckliche Tscheche. »Aber weißt du, Cecil, manchmal weiß ich echt nicht mehr, was real ist und was nicht real ist.«
    »Huh!« grunzte Cecil Higgins. »Bist doch erst dreizehn Jahre dabei, Junge. Wart mal ab, wenn du erst achtundzwanzig Jahre abgerissen hast, so wie ich. Manchmal latsch ich hier meine Runde ab und weiß nicht mehr, ob ich 'n Pimmel hab oder 'n Pfannkuchen. Ganz ehrlich, Tscheche, ich weiß schon seit zweiundzwanzig Jahren manchmal nicht mehr so genau, was real is und was nich.«
    »Also, ich weiß zwar, daß dieser Rollerskatechristus
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