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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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würde er es sich nicht leisten können, nicht nach der zweiten Scheidung, die gerade rechtskräftig geworden war. Nicht mit zwei Teenagersöhnen aus seiner ersten Ehe, für die er Unterhalt zahlen mußte. Er war immer noch dankbar dafür, daß wenigstens seine kurze zweite Ehe kinderlos geblieben war. Dennoch würde er dreißig Dienstjahre abreißen müssen, bloß um die höchste Pension zu kriegen. Dabei sehnte er sich jedoch seit langem sehr danach, schon nach fünfundzwanzig Jahren auszusteigen. In diesem Augenblick warf er, rein zufällig, einen flüchtigen Blick auf die Füße von Chip Muirfield. Der Junge trug die nach dreißig, vierzig Jahren heute wieder sehr modernen, todschicken weißen Oxford-Schuhe aus weichem Veloursleder, die mit dem braunen Rist!
    Es war wirklich nicht mehr das Police Department, in das Mario Villalobos damals, in den frühen Sechzigern, eingetreten war, noch vor den Straßenkrawallen und Vietnam, zu einer Zeit jedenfalls, in der solche Dinosaurier wie der Schreckliche Tscheche die Regel waren und ganz sicher nicht die Ausnahme. Der Mario Villalobos III. jener Tage hatte sich geradezu zwanghaft dazu verpflichtet gefühlt, sich bei jedem Polizisten, mit dem er zusammenarbeitete, wegen seines spanischen Familiennamens zu rechtfertigen: »Nein, ich bin kein Mexikaner. Nein, ich bin nicht mal Spanier, verdammt noch mal. Gut, zugegeben, ich hatte 'n verrückten Großvater, der ist von Spanien gekommen und nach England eingewandert, aber der hat nie wieder spanisch gesprochen. Tatsache ist, daß er meine Oma in Wales geheiratet hat. Ich weiß ja, daß ich ne ziemlich dunkle Haut hab, aber … nee, ich kann auch kein Walisisch! Der einzige, der noch walisisch sprechen kann, ist doch Richard Burton. Und meine Mutter, also, die war wirklich ne waschechte Okie, aus Muskogee in Oklahoma. Wenn ich wirklich Mexikaner war, würd ich's doch zugeben!«
    Aber wenn er seinen jeweiligen Partner dann endlich mal überzeugt hatte, kam todsicher ein Funkruf aus der Zentrale, er solle sich mit einem Motorradcop oder einer Streifenwagenbesatzung treffen, um für irgendeinen armen Hund von Mexikano, den sie gerade wegen Trunkenheit am Steuer aufgegriffen hatten, den Übersetzer zu spielen. Bloß damit er es dann noch mal runterleiern konnte: »Ja, ja, ich weiß, daß ich 'n mexikanischen Namen hab. Eigentlich ist es eher 'n spanischer, sicher, aber ich sprech wirklich kein … Ach, ist doch Scheiße!«
    Bis ihm schließlich, eines Nachts bei einem Großeinsatz in Watts 1965, als die halbe Stadt zu brennen schien und eine Feuersbrunst den Himmel im Westen zwanzig Meilen weit erhellte, ein weiser alter Cop aus San Pedro, den sie wegen dieser Straßenkrawalle extra wieder eingezogen hatten, die Meinung sagte: »Junge, ich an deiner Stelle würde aus meinem Namen Kapital schlagen. Ich mein, du läufst hier rum und entschuldigst dich bei jedem, bloß weil du 'n Namen hast wie 'n armer Bohnenfresser und tatsächlich ja auch so dunkelhäutig bist, daß du einer sein könntest. Also, ich glaub, da ändert sich im Department noch ne ganze Menge, bis du erwachsen bist und 'n Bart kriegst. Ich glaub, wenn dieser ganze Terror hier überhaupt 'n Sinn und 'n Zweck hat, werden sie diese ganzen Minoritäten schon ziemlich bald wie die heiligen Kühe behandeln. Ich an deiner Stelle, ich würd ganz bewußt Mexikaner sein. Kapierste, was ich meine?«
    Und der alte Cop hatte damit beinahe recht behalten. Nachdem durch den Civil Rights Act und das Gesetz für Chancengleichheit am Arbeitsplatz die Grundlagen dafür geschaffen worden waren, daß bei der Neueinstellung eines Arbeitnehmers seine Herkunft und seine Rasse keine Rolle spielen durften, machten die Bundesbehörden und die Organe der einzelnen Staaten tatsächlich ganz schön Dampf. Allerdings waren es in erster Linie die Schwarzen, die Asiaten und, quer durch alle Rassen, die Frauen, die von dem moralischen Druck profitierten.
    »Er ist 'n Bundes-Captain«, spotteten die weißen Cops dann beispielsweise in Anspielung auf einen kürzlich beförderten Schwarzen, der es (wie sie glaubten) auf quasi einzelstaatlicher Basis nie geschafft hätte. Oder: »Das ist schon wieder einer von diesen Bundesbrüdern, die sie uns da dauernd unterjubeln«, als es um einen Minicop wie den nur ein Meter sechzig großen Sunney Kee ging, der, wie sie maulten, nicht bloß Ausländer, sondern auch noch ein Zwerg war.
    Der große Run in Richtung Gleichheit und Gleichberechtigung fing allerdings
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