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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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real gewesen ist«, murmelte der Schreckliche Tscheche mehr zu sich selbst als zu Cecil Higgins, als die Streifencops in ihren blauen Uniformen weitergingen, sehr behutsam und auf weichen Sohlen, damit sich ihre Qualen in Grenzen hielten. »Aber ich weiß es auch bloß deswegen, weil mir von diesem Rollerskategekreisch immer noch der Schädel brummt, bloß deswegen.« Dann fügte er noch hinzu: »Ich mein, ich bin mir wenigstens halbwegs sicher, daß der Jesus auf diesem Rollerskateboard real gewesen ist.«
    *
    Während sich nun der Schreckliche Tscheche, derart von Zweifeln gequält, wie auf Eiern durch sein Revier bewegte, wischte Mario Villalobos, der ebenfalls einen Weltklasse-Brummschädel hatte, einen imaginären Staubfleck vom Dach seines BMW und betrat die Rampart Station durch die Hintertür, wobei er sich fragte, wie viele Einwohner der Stadt wohl noch am Leben sein mochten, nachdem todsicher auch an diesem Wochenende, an dem das Volk zusammengeströmt war, um Muttertag zu feiern, Schießereien, Messerstechereien, Vergewaltigungen und Würgereien an der Tagesordnung gewesen waren.
    »Morgen, Mario«, sagte eine junge, fröhliche Stimme. »Hast du einen schönen Muttertag gehabt?«
    »Morgen«, antwortete der Detective und steuerte als erstes auf die Kaffeekanne zu.
    Er warf lediglich einen ziemlich oberflächlichen Blick auf Chip Muirfield in seinem taufrischen, gelbkarierten Anzug mit Weste und auf das gebräunte, hübsche Gesicht unter dem von der Sonne gebleichten Surferhaar des jungen Detectives. Irgendwie hatte er schon vorher gewußt, daß der junge Mann ihm die Frage stellen würde: »Hast du einen schönen Muttertag gehabt?«
    Chip Muirfield war der Neffe des im Ruhestand lebenden Deputy Chiefs Lorenzo Muirfield, der nach seiner Pensionierung vom Bürgermeister in die Ständige Konferenz der Polizeichefs berufen worden war. Chip war bei seinem Jurastudium durch das Abschlußexamen gerasselt, was seinen Onkel Lorenzo zunächst sehr enttäuscht, dann allerdings auch zu dem Entschluß veranlaßt hatte, die Karriere seines Neffen dadurch zu reparieren, daß er ihn energisch in eine Spitzenposition des ja immerhin einst auch mal von ihm selbst erwählten Berufs zu boxen versuchte. (Was die Vetternwirtschaft betraf, saßen in den Filmstudios in Hollywood im Vergleich zum Police Department wirklich die reinsten Waisenknaben.)
    Chip Muirfield war gerade siebenundzwanzig Jahre alt und immerhin seit vier Jahren Polizist; die meiste Zeit hatte er allerdings in der Verwaltung zugebracht. Vorübergehend war er aushilfsweise den Detectives der Rampart Station zugeteilt worden, um etwas »Pfeffer« zu kriegen, wie sein Onkel sich ausgedrückt hatte, als er sich um den Job für den Jungen bemühte. Und um Chip noch besser für den schnellen Aufstieg auf der Karriereleiter der Bürokraten zu präparieren, wozu er ja nun schließlich ausersehen worden war. Allerdings hatte dieser Junge offenbar so viel Drall, daß es sicherlich fast unmöglich sein würde, ihn irgendwo anzubinden, wie alle übereinstimmend meinten. Mit wahrer Inbrunst hatte er sich in die Arbeit als Detective gestürzt. Vor allem auf seinen Job bei der Abteilung Mord und Totschlag, weil er sich unheimlich gern Leichen anschaute, je blutiger, desto lieber. Und dann hatte er dort zu seiner großen Freude die Entdeckung gemacht, daß Melody Waters, die einzige Frau beim Mord-und-Totschlag-Team, seinen Hang teilte, sich vom Anblick verstümmelter Körper faszinieren zu lassen.
    Melody war eine äußerst hübsche Brünette, so frisch wie eine Knospe, wie manche schwärmten, fünf Jahre älter als Chip und überdies der einzige weibliche Officer beim Los Angeles Police Department mit dem Mumm, ein Schulterhalfter wie Clint Eastwood zu tragen. Nur sehr wenige männliche Detectives hatten den Mumm, ein Schulterhalfter wie Clint Eastwood zu tragen. Chip Muirfield allerdings trug ebenfalls ein Schulterhalfter. Die übrigen Cops meinten, das Ganze sei eine richtige Love Story; ein Ballermann und eine Ballerfrau hätten sich gefunden.
    Mario Villalobos saß am großen Schreibtisch der Mord-und-Totschlag-Detectives, rieb sich die schmerzenden Augen, sah sich die beiden glücklichen jungen Würstchen, die sich auf dem Umweg über ihre Schulterhalfter gefunden hatten, nachdenklich an und überlegte, ob er es sich jemals würde leisten können, die grundsätzliche Chance zu nutzen, seinen Job schon nach fünfundzwanzig Dienstjahren hinzuschmeißen. Tatsächlich
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