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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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erst richtig an, als diese sogenannten Boat-People nach Los Angeles kamen: die Vietnamesen, Kambodschaner und Laoten. Und die Kubaner. Die Cops hätten Jimmy Carter mit all ihrer überströmenden Liebe ja am liebsten totgedrückt, weil er eine Bootsladung Kubaner nach der anderen ins Land gelassen hatte.
    Mit den Boat-People kamen die Koreaner, Thais und Chinesen, schließlich die Latinos aus Mittel- und Südamerika. Sie kamen in die Städte, immer in die Nähe der Innenstadt, wo sie für ein Minimum an Lohn und oft für noch weniger von Restaurants, Fabriken und noch schlimmeren Ausbeuterläden angeheuert wurden.
    Die Mexikaner allerdings waren schon zu lange in der Gegend, als daß sich Weltverbesserer und Aktivisten noch für ihr Schicksal interessiert hätten. Mario Villalobos hatte sich vor Jahren die gigantische Mühe gemacht, in seiner Freizeit drei Jahre lang Spanisch zu lernen, nur um als angeblicher Mexikano bessere Beförderungschancen zu haben, wenn die Zeit reif sein würde. Aber sie wurde es niemals. Natürlich merkten die wirklich aus Mexiko stammenden Cops sowieso, daß er spanisch sprach wie die Gringos, die Yankees, die mal im Süden gelebt hatten, aber so ähnlich sprachen ja auch die unzähligen Cops, die zwar aus Mexiko stammten, deren Familien inzwischen jedoch zum Mittelstand gehörten und längst integriert waren. Mario Villalobos hatte nie ausdrücklich behauptet, er sei Mexikaner. Aber er würde auch nie wieder sagen, er sei keiner. Das Ganze hatte, alles in allem, nur dazu geführt, daß Mario Villalobos mittlerweile felsenfest von einem überzeugt war: Bohnenfresser, ganz gleich, welcher Schattierung, würden immer und ewig gepiesackt werden. Ihm jedenfalls hatte es nie genutzt, ein getürkter Mexikaner zu sein. Und so, wie sich die Dinge bis heute entwickelt hatten, wäre er viel besser dran gewesen, wenn er von Anfang an einen vietnamesischen Namen gehabt hätte.
    Nachdem er es sich auf seinem Stuhl am Schreibtisch der Mord-und-Totschlag-Detectives bequem gemacht hatte, wog er den Stapel mit den Berichten vom Wochenende in der Hand und fragte sich abermals, ob überhaupt noch irgendein Mensch im Distrikt unverletzt geblieben sein konnte.
    »Hey, Mario«, sagte Chip Muirfield, »Melody und ich haben uns gerade überlegt, daß wir auf dem Weg zum Coroner, zum Leichenschauhaus, eigentlich ne Brunchpause einlegen könnten. Wülste nicht mitkommen?«
    »Brunch?« sagte Mario Villalobos. Mord-und-Totschlag-Detectives und Brunch! Wahrscheinlich Eier á la Benedict. Womöglich auch noch ein Gläschen Chardonnay, kalifornischen Weißwein vom Besten?
    »Nein, danke«, sagte Mario Villalobos. Dann fragte er: »Was heißt hier Coroner und Leichenschauhaus? Haben sie heute etwa ne Leiche für uns angeliefert?«
    »Ja – ne Sie. Ne weiße Straßennutte von Santa Monica und Normandie. Der Bericht liegt da in deinem Papierkram ganz unten. Sieht so aus, als ob sie jemand im Wonderland-Hotel vom Dach geschmissen hätte. Fünf Etagen. Wahrscheinlich war's ihr Zuhälter.«
    Mario Villalobos sagte: »Wo soll das bloß noch hinführen, wenn die Zuhälter jetzt anfangen, ihre Sparbüchsen vom Dach zu schmeißen?«
    »Nu ja, ich hab bloß vermutet, daß es ihr Zuhälter gewesen ist«, sagte Chip Muirfield. »Der Nachtportier da in dem Bericht sagt, daß er 'n großen weißen Kerl gesehen hat, der aus East Hollywood kommt, seiner Meinung nach. Hat angeblich Miezen laufen von Santa Monica bis zur Western Avenue.«
    »Entweder ist der Nachtportier 'n Lügner, oder er ist bescheuert«, erklärte Mario Villalobos, verbrannte sich am Kaffee den Mund und schaffte es erst beim zweiten Versuch, sich eine Zigarette anzustecken. Ob er den Wodka vielleicht grundsätzlich sausenlassen und auf Scotch umsteigen sollte? Manche Leute behaupten, daß man davon am nächsten Tag ruhigere Hände hat.
    »Warum?«
    »Daß die Nigger irgend 'nem hergelaufenen weißen Ganoven erlauben, seine Mädchen zwischen der Santa Monica und der Western Avenue laufen zu lassen, also das ist genauso unwahrscheinlich, als wenn Margaret Thatcher in Buenos Aires einen draufmachen würde«, sagte Mario Villalobos.
    »Na gut, irgendein weißer Typ ist gesehen worden, als er am Samstagabend ungefähr um zehn mit dem Fahrstuhl hochgefahren ist, kurz bevor das Mädchen geschrien hat. Die Obduktion fängt heute morgen um halb elf an.«
    »Ist denn da noch was zu obduzieren? Die muß doch aussehen wie Erdbeerpudding?«
    »Da in dem Bericht steht, daß sie
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