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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern
Autoren: Joseph Wambaugh
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schwärmte (nur der Schreckliche Tscheche war Manns genug, ein Wochenende in ihrem Apartment durchzustehen), erhielt sie auch den Namen Brutale Braut. Momentan geilte sich die Brutale Braut alias Jane Wayne mehr und mehr daran auf, daß sie dem Schrecklichen Tschechen die ausladenden Schultern massierte und ihm betörende Sätze zuflüsterte wie: »Hör mal, da hat einer die Bank geknackt. Die Samen-Bank. Wülste den Tresor nicht wieder auffüllen?«, was natürlich jeden antörnte, der nicht sturzbesoffen war, und schließlich auch dazu führte, daß Leery beschloß, weitere Techtelmechtel im Lokal nach Kräften zu unterstützen.
    Die verliebten Blicke, die der K-9-Cop auf Dolly warf, waren dem immer wachsamen Leery nicht entgangen. Er war wirklich ein Mensch, der grundsätzlich jede aufkeimende Liebe zu unterstützen pflegte, weil dies natürlich regelmäßig sofort dazu führte, daß neue Runden bestellt wurden, und so machte sich der mürrische kleine Saloonbesitzer an Dolly heran, wackelte mit der eingedrückten roten Nase und schenkte ihr den vierten Scotch Soda ein. »Dolly, ich glaub fast, Hans hat sich in dich verknallt«, sagte er. »Wülste ihm nicht mal einen ausgeben?«
    »O Gott!« Dolly verzog angeekelt das Gesicht. »Versuch bloß nicht, mich mit dem zu verkuppeln, Leery. Eher laß ich mich von Ludwig ficken.«
    Ludwigs Kopf lag im Moment auf der Bar, und die Bierpfützen dort wurden von seinen großen, schwarzen Schlappohren aufgesaugt wie von Löschpapier. Er wurde allmählich schläfrig. Dolly kriegte vor Ekel eine Gänsehaut. Beide Mitglieder des K-9-Teams starrten zu ihr rüber!
    Leery ließ seine Registrierkasse plötzlich mit lautem Gerassel aufspringen und entnahm ihr einen Vierteldollar für die Musikbox. Er sah sich scheel in seiner finsteren Kneipe um, häßlich wie eine Wasserspeierfratze, und drückte ein aufmunterndes Black-Flag-Liedchen für Jane Wayne. Es sah ganz so aus, als würde es für ihn noch ein außergewöhnlich glücklicher Muttertag!
    Gegen Mitternacht war die Stimmung in Leerys Saloon zwar etwas gedämpfter, aber es war keineswegs leerer geworden. Ein perlgrauer BMW fuhr, mehrfach die Spur wechselnd, den Sunset Boulevard hinunter. Am Steuer saß ein Mann, der eine Kassette hörte, auf der der verstorbene Hoagy Charmichael Old Buttermilk Sky sang. Der Fahrer war überrascht, daß die häßliche pinkfarbene Cocktailreklame von Leerys Saloon noch blinkte. Aber da er seit zwei Jahren Detective bei der Rampart Station war und mit zwanzig Dienstjahren längst auch schon als Polizeiveteran gelten konnte, waren ihm die Geschäftstüchtigkeit und die Geldgier aller Leerys der Welt nur allzu vertraut. Muttertag an der Tränke der Cops. Der BMW wendete verbotenerweise mitten auf der Straße, machte gleich noch eine Wendung und parkte im Halteverbot vor der Kneipe. Auf diese Weise würde der Detective alle paar Minuten einen unauffälligen Blick durch das verschmierte Kneipenfenster nach draußen werfen können, um sich zu vergewissern, daß nicht irgendein Zigeuner gerade sein verdammtes Blaupunkt-Radio klaute. Der BMW war der größte Luxus, den er sich jemals geleistet hatte, und verdient hatte er ihn sich hauptsächlich durch Freizeitjobs beim Sicherheitsdienst im Dodger Stadion. Als Doppelverdiener hatte er, wenn die Dodgers ein Heimspiel austrugen, über dreizehn Dollar in der Stunde gekriegt, aber zwei Blaupunkts war er bereits durch diese Zigeunerbanden losgeworden, deren Mitglieder sich für zwei Dollar Parkgeld Zugang zum Stadionparkplatz verschafften und dann in einer Nacht ein Dutzend BMWs, Audis und Mercedes knackten, bloß wegen ihrer Blaupunkts, die sie dann auf der Straße für hundertfünfzig Piepen verscheuern konnten.
    Er hatte im Dodger Stadion mehr Stunden abgerissen als der berühmte Tommy Lasorda, um so viel zu verdienen, daß er sich endlich diesen verdammten Wagen kaufen konnte. Als er durch seine zweite Scheidung so pleite gewesen war wie eine Reihe amerikanischer Airlines, hatte er plötzlich den fast übermächtigen Wunsch verspürt, etwas wirklich Wertvolles zu besitzen. Er stand damals ganz kurz vor seinem neununddreißigsten Geburtstag, und die Midlife-Crisis hatte ihn, als die Scheidung gerade lief, fast um den Rest seines Verstandes gebracht. Jetzt war der BMW nicht mehr so ganz neu, und in Kürze würde er auch schon zweiundvierzig sein, und die Midlife-Crisis wurde und wurde dennoch nicht besser. Er dachte bloß noch daran, daß er alt wurde. Wenn er
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