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Der Bund der Drei

Der Bund der Drei

Titel: Der Bund der Drei
Autoren: Hans G Bentz
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man nun ein Dessert nachschieben müsse. In diesem Punkt hat Cocki seinen eigenen Geschmack. Ich entsinne mich noch deutlich der Entrüstung der Familie, als wir ihm im ersten Jahr zur Winterszeit ein besonders gutes und reichliches Fressen vorsetzten. Mit schwankendem Bauch watschelte er daraufhin, laut rülpsend, in den tief verschneiten Garten und verschlang als Nachtisch eine tote gefrorene Maus...
    Die erste Unternehmung auf dem Gebiet des Fressens findet schon am frühen Morgen statt. Da werden zuerst die Mülltonnen der umliegenden Häuser revidiert. Es gibt da einige Käsereste und Schalen vom letzten Abendbrot, an einer anderen Stelle einen Knochen oder, wenn man besonderes Glück hat, sogar zähes Fleisch, das die Menschen verschmähten, und manchmal fängt man auch, auf einem flüchtigen Abstecher aufs Feld, eine Maus oder gräbt schnell eine Maulwurfsfamilie aus. Aber — wie erwähnt — man muß sich hierbei sehr beeilen, denn sonst versäumt man die Welle der Frühstückshäppchen.
    Die ersten häuslichen Häppchen erbt Cocki bei Mathilde in der Küche. Es ist seltsam, aber bei sämtlichen Mädchen, die in unserem Hause wirkten, ob sie nun Rosa, Lene, Maria oder Mathilde hießen, war Cocki der Liebling. Diese auffällig übereinstimmende Bevorzugung hat meiner Ansicht nach erotische Gründe. Seine stämmige Männlichkeit und brutale Zudringlichkeit kommen offenbar den Wunschträumen unserer Küchenfeen am weitesten entgegen. Jedenfalls erbt er, trotz des von der Frau des Hauses erlassenen strengen Verbotes, ein paar Wurstpellen, vielleicht auch einige Schnitten Butterbrot oder ein paar Brotrinden.
    Der nächste Weg führt ihn zu meiner Mama, die mit uns lebt. Die alte Dame, wieselhurtig und nie ermüdend trotz ihres biblischen Alters, hatte stets ein weit offenes Herz für alles Junge. Da ihre Kinder sich allmählich mauserten und aus dem Zustand des Trockenlegens und des ersten Schulbesuches herausgewachsen sind, haben die Tiere jenen Ehrenplatz in ihrem Herzen eingenommen, der in jedem Mutterherzen für das schöne Alter der tolpatschigen Jugend und naiven Lausbübereien reserviert bleibt. Wenn ich am Zimmer der Mutter vorbei ins Bad gehe, höre ich immer die gleichen Ansprachen: »Ach Gott — nein, dieser Hunger schon wieder! Und diese Augen! Cocki, geh weg mit deinen Schmutzpfoten — mein armer Junge, hier nimm — da hast du noch was, aber sag’s nicht Frauchen — Frauchen schimpft !«
    Derweilen ist es schon Zeit zum dritten Frühstück, das traditionsgemäß auf dem Teewagen an Frauchens Bett serviert wird. Unweigerlich erscheint Cocki im Gefolge des Teewagens und nimmt seinen Platz unter ihm ein. Hier zeigen sich die zarten Übergänge in seiner Seele am deutlichsten. Während er mich eben noch liebevoll betatzt und sich vor mir lachend auf dem Rücken gewälzt hat, verwandelt er sich dreißig Sekunden später in ein zähnefletschendes, giftiges Ungeheuer, das seinen Fraß verteidigt. Wenn ich mir meinen Stuhl heranrücke, brüllt er mich in der gröbsten Weise an; und mitunter, wenn er ganz schlechte Laune hat, schnappt er sogar, falls man es wagt, unter den Teewagen zu greifen und ihm die Schnauze zuzuhalten, weil er nicht aufhört zu bellen und man sich auch mal in Ruhe unterhalten möchte. Dann löst sich die Frühstücksgesellschaft auf, und jeder geht an sein Tagewerk. Der Wagen der Verheißung wird weggerollt. Geschieht das nicht sofort, und er bleibt unbeaufsichtigt stehen, so muß man darauf gefaßt sein, daß Cocki mit der Geschwindigkeit eines Taschenspielers die übrigen Brötchen verschwinden läßt. Auch ist er imstande, innerhalb weniger Sekunden den Inhalt einer Aufschnittschüssel einzuatmen. Schafft er nicht alles mit einem einzigen Ruck, so zieht er sich mit dem Rest unter die Kommode in der Halle zurück, die eine seiner Zufluchten ist. Wenn sie mal von Zeit zu Zeit abgerückt wird, weil ihr ein verdächtiger Geruch entquillt, so finden wir dort eine reichhaltige Sammlung von Speiseresten und halbzernagten alten Knochen, die er von Gott weiß woher zusammengetragen hat.
    Am späteren Vormittag erfolgt dann der mittägliche Visitationsgang in die Umgebung. Dieser bringt unter Umständen hervorragende Ergebnisse: Nahe dem Bahnhof liegt ein Gartenlokal, das ein Hirschgeweih über der Pforte zeigt und demzufolge auch den Titel >Zum Hirschen< führt. Eines Abends ging ich dorthin, um mir eine Kanne Bier zu holen. Cocki war mitgewatschelt und kam in der Gaststube sofort zur
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