Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
die Eva federn konnte! Kopf zurück, Blick zu den Sternen, so stieß sie sich wie ein Fußballer mit fliegendem Haar vom Rasen ab. Was war jedoch mit dem mörderischen Gewicht auf Dads Hintern? Der Abdruck der Gartenbank würde bestimmt noch tagelang wie Grillstreifen auf einem Steak auf seinen Arschbacken zu sehen sein.
    Eva nahm ihre Hand von seinem Mund. Er begann zu lachen. Dieser glückliche Ficker lachte und lachte. So klang die Lebenslust eines Mannes, den ich nicht kannte, voller Geilheit und egoistischer Zufriedenheit. Es machte mich völlig fertig.
    Ich hoppelte zurück. In der Küche goß ich mir einen Scotch ein und kippte ihn runter. Kordanzug stand in einer Ecke. Seine Lider zuckten entsetzlich. Er streckte die Hand aus. »Shadwell«, sagte er.
    Charlie lag in der Mansarde auf dem Boden. Ich nahm ihm den Joint aus der Hand, zog meine Stiefel aus und legte mich auch hin.
    »Komm, leg dich neben mich!« sagte er. »Näher!« Seine Hand berührte meinen Arm. »Du darfst mir nicht übelnehmen, was ich dir jetzt sage.«
    »Nein, niemals, Charlie, egal, was es ist.«
    »Du mußt weniger anziehen.«
    »Weniger anziehen, Charlie?«
    »Dich weniger aufdonnern, ja.«
    Er setzte sich auf, stützte einen Ellbogen aufs Knie und sah mich prüfend an. Sein Mund war geschlossen. Ich badete in seinem Blick.
    »Levis, würde ich vorschlagen, dazu ein Hemd mit offenem Kragen, vielleicht in rosa oder purpur, und einen breiten, braunen Ledergürtel. Das Stirnband kannst du vergessen.« »Das Stirnband - vergessen?«
    »Vergiß es!«
    Ich riß mir das Stirnband vom Kopf und schleuderte es auf den Boden.
    »Für deine Mum.«
    »Siehst du, Karim, du neigst dazu, wie eine Paillettenschwuchtel auszusehen.«
    Ich, der ich doch wie Charlie sein wollte - so klug, so cool auch noch im letzten Winkel meiner Seele -, ich tätowierte mir seine Worte in mein Hirn. Levis mit offenem Hemd,
    vielleicht einem dezent rosa- oder purpurfarbenem. Für den Rest meines Lebens wollte ich in keinen anderen Klamotten mehr herumlaufen.
    Während ich voller Verachtung über mich und meine gesamte Garderobe nachdachte und ohne zu zögern auf jedes Kleidungsstück geschissen hätte, lehnte Charlie sich mit seinem einzigartigen Verständnis für Fragen der Mode und geschlossenen Augen zurück. Außer mir war wohl jeder in diesem Haus im siebten Himmel.
    Ich legte meine Hand auf Charlies Schenkel. Keine Reaktion. Ich ließ sie einige Minuten lang dort liegen, bis mir der Schweiß an den Fingerspitzen ausbrach. Seine Augen blieben geschlossen, aber in seinen Jeans schwoll etwas an. Ich begann, mich mutiger zu fühlen. Ich wurde wahnsinnig. Ich stürzte mich auf seinen Gürtel, auf seinen Reißverschluß, auf seinen Schwanz, den ich an die frische Luft zerrte, um mich zu beruhigen. Er gab ein Zeichen! Er zuckte! Mit Hilfe solcher Ströme menschlicher Elektrizität verstanden wir uns.
    Ich hatte in der Schule schon oft einen Penis gedrückt. Wir rubbelten und rieben und streichelten uns ständig gegenseitig; das unterbrach die Monotonie des Lernens. Aber ich hatte noch nie einen Mann geküßt.
    »Wo bist du, Charlie?«
    Ich versuchte, ihn zu küssen. Er drehte den Kopf zur Seite und wich meinen Lippen aus. Aber ich schwöre, als er in meiner Hand kam, da war das einer der unvergeßlichsten Augenblicke in meinem noch relativ jungen Leben. Es tanzte in meinen Straßen. Meine Flaggen flatterten, meine Trompeten schmetterten!
    Ich leckte mir die Finger und überlegte, wo ich mir ein rosa Hemd kaufen könnte, als ich ein Geräusch hörte, das nicht von den Pink Floyd kam. Ich drehte mich um und sah, wie Dad mich vom anderen Ende der Mansarde mit flammenden Augen anstarrte. Dad, der sich mit Nase, Hals und seiner
    berühmten Brust durch die rechteckige Luke im Boden hochgestemmt hatte. Ich sprang auf. Dad kam auf mich zu, gefolgt von einer lächelnden Eva. Dad sah Charlie an, dann mich, dann wieder Charlie.
    Eva schnupperte.
    »Ihr unartigen Jungs!«
    »Wieso, Eva?« fragte Charlie.
    »Gras Marke Eigenbau.«
    Eva meinte, es sei an der Zeit, uns nach Hause zu fahren. Wir stiegen der Reihe nach rückwärts die Leiter hinunter. Dad war der erste; er trampelte auf meine Uhr, die unten lag, zertrat sie in Stücke und schnitt sich in die Fußsohle. Zu Hause stiegen wir aus dem Auto, ich sagte Eva gute Nacht und ging voran. Von der Tür aus konnte ich sehen, wie Eva versuchte, Dad zu küssen, während er sich bemühte, ihr die Hand zu schütteln.
    Unser Haus war dunkel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher