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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg
Autoren: Tad Williams
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nur dasitzen, sich die Tränen aus den schon wund geweinten Augen wischen und versuchen, nicht völlig die Fassung zu verlieren. »E-er sagte … du würdest trauern«, würgte er schließlich hervor. »Ich d-dachte, er meinte … um deine Schwester.«
    »Auch um sie, aber sie habe ich schon vor langer Zeit verloren. Knopf war mein Bruder, obwohl wir grundverschiedener Herkunft waren. Er war mein Freund.«
    Theo musterte Primels steifes, ausdrucksloses Gesicht. Die starre Maske des Blumenadels, hatte er erfahren, konnte durchaus rissig werden. »Er sagte einmal, ihr beide wärt keine Freunde, könntet nie welche sein. Ihr wärt … zu verschieden.«
    Primel rang sich tatsächlich ein Lachen ab, doch es klang deutlich gequält. »Das beweist nur, daß der Goblin nicht so klug war, wie er meistens erschien.«
    Theo trocknete sich mit dem Ärmel die Augen. Bis auf den Schmerz in der Brust war er innerlich leer. »Ich … ich glaube, ich halte diese Welt hier nicht mehr aus. Kann ich wirklich zurückkehren? Funktioniert die Magie … die Wissenschaft noch?«
    Primel überlegte. »Ich wüßte keinen Grund, der dich hindern könnte, in deine Welt zurückzukehren, jetzt, wo du den untoten Geist, der dich verfolgte, nicht mehr fürchten mußt. Jeder halbwegs geübte Elf kann dir eine Pforte öffnen. Dazu bedarf es nicht der Kraft der Energieversorgungswerke, denn in diesem Fall muß die Pforte nicht geheimgehalten werden wie damals, als du hierhergeholt wurdest, es bedarf nur der Kraft, die jeder von uns in Elfien in sich birgt. Mit etwas Übung könntest du es zweifellos selbst machen.« Er faltete die Hände im Schoß. »Du wirst uns fehlen, Theo. Wenn du gehst, wirst du nicht zu uns zurückkehren können – jedenfalls so lange nicht, wie wir den Kleeblatteffekt nicht aufheben können, ein Werk hoher Kunst aus einer Zeit, als wir noch freier über die Kraft verfügen konnten.«
    »Um ehrlich zu sein, im Augenblick liegt mir nichts an einer Rückkehr.« Aber ihm lag etwas an Poppi, wurde ihm plötzlich klar. Sie mußte mitkommen, oder alles war sinnlos. Was nutzten ihm alle Erinnerungen an Heldentaten, an Entscheidungen auf Leben und Tod, an Schönheit und Schrecken, wenn er das einzig wahrhaft Gute zurückließ, das er gefunden hatte? Er würde zu einem zweiten Eamonn Dowd werden, grämlich und bitter und vielleicht sogar von dem Gedanken an seinen Verlust zum Wahnsinn getrieben. »Ich lasse dich jetzt allein. Ich muß noch mit jemand reden.«
    »Dann gehe in Frieden, Theo Vilmos.«
    »Du auch.« Er begab sich zum Ausgang des Zeltes und schaute in einen anbrechenden Tag hinaus, der etwas von der umwerfenden Schönheit erkennen ließ, die es in Elfien geben konnte. Selbst die ferne Stadtsilhouette erschien ihm wieder wie einst als ein wunderbarer, überirdischer Anblick und die Spitzen der Türme nicht als Hochhäuser, sondern als Minarette, als Elfenschlösser. Er drehte sich noch einmal zu Primel um. »Werdet ihr es diesmal besser machen? Hier, meine ich. In diesem neuen Zeitalter, das ihr beginnt.«
    Caradenus Primel scheiterte am Versuch eines Lächelns. »Ich hoffe es. Wir können es nur versuchen.«
    »Ja.« Er hob verlegen die Hand. »Mach’s gut.«
    Er war höchstens hundert Schritte gegangen, als ein Elf, den er nicht kannte, sich aus der Menge der Vorübergehenden löste und sich zu ihm gesellte. Der Mann hatte dunkle Haare und war vom gleichen menschenähnlichen Schlag wie die Blumenfürsten, ansonsten aber zeichnete er sich durch nichts Besonderes aus. Er hielt die Augen beim Gehen auf den Boden gerichtet.
    »Ich wollte mich von dir verabschieden«, sprach ihn der Fremde an. »Und dir sagen, daß es mir leid tut. Ich habe schreckliche Dinge getan. Es gibt vieles, worüber ich nachzudenken habe.«
    Theo schüttelte den Kopf. Warum wußten alle so gut über seine Privatangelegenheiten Bescheid? »Pardon, kennen wir uns?«
    Der Mann lächelte, aber sah Theo noch immer nicht ins Gesicht. Er hatte die Schultern hochgezogen, als wollte er nicht, daß irgend jemand ihn erkannte, was einigermaßen seltsam anmutete, da er ohnehin eine völlig unauffällige Erscheinung war. »Du hast dich als ziemlich schlau erwiesen – den Trick mit der Wasserfrau habe ich wirklich bewundert. Ich glaube auch nicht, daß das allein dem Durchbruch deiner wahren Abstammung zu verdanken ist. Eine menschliche Erziehung hat doch einiges für sich. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, daß wir den Elfen in mancher Hinsicht überlegen
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