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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg
Autoren: Tad Williams
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Stock aufbewahrt wurde. Wir vermuteten, daß er in einem tiefen, streng bewachten Verlies verborgen lag. Es kam uns gar nicht in den Sinn, die Blumenfürsten könnten so wenig von uns wissen oder die Gefahr so gering achten, die wir darstellten, daß ihnen nicht klar war, daß nur unser heiliges Wort uns an sie band – das Versprechen unserer Ahnen in Gestalt des Vertragsstocks, des Vadiums. Primel erzählte mir irgendwann, wo er sich befand. Er war für ihn, ähem, nichts weiter als eine Kuriosität, etwas, worauf er bei seinen juristischen und geschichtlichen Forschungen in den staubigen Magazinen des Parlamentsmuseums zufällig gestoßen war. Als er ihn Jahre später mir gegenüber erwähnte, wußte ich sofort, worum es sich handelte, und fing an zu planen.«
    »Aber irgendwer muß doch Bescheid gewußt haben, irgendwelche Goblins, die dort als Hausmeister tätig waren, oder sonst jemand. Warum ist er nicht schon früher gestohlen worden? Warum hast erst du ihn zerbrochen?«
    Knopf schwieg eine Weile. »In gewisser Weise ist es wohl ein wenig schändlich, daß niemand vor mir sich diese Tat getraut hat. Ja, es kann durchaus einige gegeben haben, die Bescheid wußten, aber bestimmt wollte niemand dem Tod ins Auge sehen, der die zwangsläufige Folge eines solchen Vertragsbruchs war.«
    Theo verstand das nicht. Die Goblins kamen ihm eigentlich draufgängerischer vor; schwer vorstellbar, daß sie sich lediglich deshalb einer Knechtschaft unterwarfen, weil sie fürchteten, viele von ihnen könnten bei einer Rebellion ums Leben kommen. Er würde niemals die wilden Krieger auf dem Strohblumenplatz vergessen – wie sie im Angesicht der riesigen schwarzen Schatten, die vom Himmel herabgeflogen kamen, ruhig ihre Bogen spannten.
    »Genug davon!« erklärte Knopf unvermittelt. »Ich mache von meinem Privileg als Ehrengast Gebrauch. Erzähl mir Geschichten von deiner Welt, Theo! Erzähl mir von deinem Leben! Bring mich zum Lachen!«
    »Ich werd’s versuchen.« Er schüttelte die Gedanken an Krieg und Drachenkampf ab und überlegte, was er hier aus der Welt vermißte, in die er bald heimkehren würde, wie es aussah. Er fragte sich, ob Knopf verstehen würde, was an der Geschichte komisch war, wie Johnny Battistini einmal im Pilzrausch versucht hatte, einen gestohlenen Eiswagen parallel einzuparken.
    Er erzählte die Geschichte. Knopf verstand sie oder tat jedenfalls so.
     
    E s schien beinahe Mitternacht zu sein, als er endlich aufstand und sich verabschiedete. Knopf erhob sich ebenfalls und schloß ihn auf eine Art in seine sehnigen Arme, die Theo eigentümlich berührte.
    »Du wirst mir fehlen, Theo. Es freut mich sehr, daß ich dich kennenlernen durfte.«
    »Na ja, streich meine Adresse noch nicht aus deinem Rolodex. Ich bin noch am Überlegen.«
    »Aha.« Knopf ergriff Theos Hand und fixierte ihn mit seinen gelben Schlitzaugen. »Was du auch tust, ich bin sicher, daß du immer, ähem, ein bißchen Goblinmusik im Herzen behalten wirst.« Er ließ Theos Hand los. »Geh in Frieden, Theo Vilmos.«
    »Das gefällt mir besser als die Worte, die du mir bei unserem letzten Abschied gesagt hast. Wie war das noch mal? So was wie: ›Uns ist nichts verheißen als der letzte Atemzug.‹«
    »Etwas in der Art, ja. Gute Nacht.«
    Da Wuschel und Apfelgriebs bestimmt schon längst im Bett lagen – eine Vorstellung, die Theo immer noch nicht ganz in den Kopf ging –, wartete niemand vor dem Brückenhaus auf ihn, aber bei den vielen Feuern und Fackeln, die im Lager brannten, ganz zu schweigen von den flammenden Sternen, fand er ohne Schwierigkeiten zurück. Etwas nagte an ihm, während er dahinging, irgend etwas an der Art, wie Knopf geredet hatte, an den Dingen, die er gesagt hatte. In jeder anderen Nacht hätte Theo es auf sich beruhen lassen, aber er war stocknüchtern, da er nichts als Goblintee getrunken hatte, und geriet ins Grübeln – darüber wie auch über seine nach wie vor höchst konfusen Pläne.
    Ich bin kein Mensch, aber ich denke wie einer – wo also gehöre ich hin? Und wenn ich nicht in die Menschenwelt heimkehre, muß ich mich dann entschuldigen, daß ich ihnen den Aufwand mit dem Abschiedsfest gemacht habe? Er war bis obenhin voll mit Fragen und sehnte sich beinahe nach der guten alten Zeit zurück, als er in glücklicher Unwissenheit vollgedröhnt und leer im Kopf nach Hause gegangen war. Und weiter im Text: Warum veranstaltet Knopf ein Abschiedsfest für mich und lädt dazu einen Haufen wilde Goblins ein, die
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