Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
ich gar nicht kenne? Vielleicht war das mit dem Fest nur die leicht förmliche Ausdrucksweise des Goblins, aber das Wort war mehrfach gefallen, zuletzt als Knopf das Gespräch über das Zerbrechen des Vertragsstocks beendet hatte, indem er sich auf sein Privileg als Ehrengast berief.
    Aber wenn es ein Abschiedsfest für mich ist, müßte ich dann nicht der Ehrengast sein?
    Und da machte es plötzlich klick, und der ganze seltsame Verlauf des Abends, die verhaltene Stimmung und die hintergründigen Bemerkungen wurden klar. Das mit dem Stock war eine Goblingeschichte, das hat er selbst gesagt. Und die haben immer ein Loch in der Mitte. Knopf hatte es ausgesprochen, aber Theo hatte es nicht verstanden. »Bestimmt wollte niemand dem Tod ins Auge sehen, der die zwangsläufige Folge eines solchen Vertragsbruchs war«, genau das waren seine Worte gewesen. Theo war davon ausgegangen, Knopf hätte den Tod seiner Stammesbrüder bei einer Rebellion gemeint, aber er hatte von sich selbst gesprochen. Diese weißen Gewänder – er war kein Heiliger im Kreis seiner Jünger gewesen, sondern ein verurteilter Gefangener, wenn auch noch so hoch geachtet, im Kreis seiner Wärter. Seiner Henker.
    So schnell er konnte lief Theo zurück durchs Lager, doch das Brückenhaus war verschlossen, die Fenster im Obergeschoß dunkel. Er hämmerte mit den Fäusten an die Tür, aber niemand machte auf. Zuletzt kam der alte Riegel aus einem der anderen Gebäude auf der verfallenen Brücke. Er rieb sich die Augen – ob deswegen, weil er geschlafen oder weil er geweint hatte, konnte Theo nicht sagen. Als er Theos aufgeregtes Gebrabbel endlich verstand, versuchte er, ihn zu seinem Zelt zurückzuführen.
    »Du kannst nichts machen«, erklärte der Goblin. »Gar nichts. So ist das Gesetz. Knopf wußte das. Er tat, was er tun mußte. Er wird immer in uns weiterleben – als ein großer Held.«
    Theo war davon nicht zu trösten und wollte nicht einfach still und brav gehen. Er fühlte sich betrogen, doch falls jemand ihn betrogen hatte, dann war er das selbst gewesen. In seinen Augen war er um die letzte Gelegenheit gebracht worden, Lebewohl zu sagen. Riegel mußte ein paar Leute zu Hilfe rufen, Goblins und Elfen und einen Ogerleibwächter, den Theo nicht kannte, damit die ihn mit Gewalt in sein Zelt und zu Poppi zurückschafften.
    Das einzige, was er denken konnte und was den Schmerz ein ganz klein wenig linderte, war, daß es Knopf so möglicherweise leichter gefallen war: ein Abschied unter Tränen weniger, einer weniger, von dem er sich anflehen lassen mußte, das Unmögliche möglich zu machen.
    Poppi, das Kind einer kalten Kultur und einer grausamen Familie, versuchte nicht, ihm einzureden, es sei nicht so schlimm. Gift war Gift, schien sie zu wissen, und mußte ausgeschwitzt werden. Sie hielt ihn im Arm, während er weinte und jammerte und schrie, und sie hielt ihn so lange, bis er endlich erschöpft in den Schlaf sank.

 
43
Die Grenzen der Magie
     
     
    B eim ersten Schimmer des Morgengrauens suchte er Caradenus Primel auf und wurde von diesem in sein Zelt gebeten, das gleichzeitig großzügiger und spartanischer wirkte als Theos oder sonst eine der Behausungen am Fluß, die er bisher gesehen hatte. Auch ein Blumenadeliger schien mit dem einfachen Leben gut zurechtzukommen: Wie Knopf konnte Primel einen Teppich wie einen Thron erscheinen lassen.
    Er hörte sich Theos leidenschaftlichen Appell mehrere Minuten lang an, aber schließlich unterbrach er ihn mit einer Geste seiner langen Hand.
    »Jetzt höre mir einmal zu, Theo Vilmos, bitte. Wir haben dir viel zu verdanken, aber nicht so viel. Und selbst wenn es möglich wäre, könnte ich es nicht verfügen. Dazu habe ich nicht die Macht. Ich habe überhaupt keine Macht mehr, wenigstens keine, wie Stand und Geburt sie verleiht. Gut, uns Blumenfamilien stehen immer noch viele Möglichkeiten offen, und da ich nicht glaube, daß ein solches Chaos entstehen wird, wie manche meinen, kann es sein, daß wir diese Macht zurückbekommen. Aber selbst wenn sie mir gegeben wäre, hätte ich nicht eingegriffen und versucht, eine Änderung zu erzwingen. Knopf hat diesen Weg gewählt, wohl wissend, was das für ihn für Konsequenzen haben würde, unabhängig von Sieg oder Niederlage. Es war sein Wille und sein Wunsch.« Primel schlug kurz die Augen nieder. »Vor allen Dingen aber, Theo … ist es bereits zu spät. Er ist tot. Der Rat seiner Stammesbrüder hat ihn gestern nacht hingerichtet.«
    Lange konnte Theo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher