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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman
Autoren: Andrea Schacht
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Türkisfarbenes Wasser glitzerte im Sonnenschein, der Himmel war unendlich weit und durchscheinend blau und verband sich am Horizont mit dem Meer. Die Insel war nicht fern, wenn der Ebbstrom einsetzte, würde man trockenen Fußes hinübergelangen. Ein kiesbedeckter Pfad führte zu einem grauen Feldsteinhaus hinauf. Und diesen Pfad kam er hinunter. Er sah zu mir hin, aber er nahm mich nicht wahr. Nur der schwarze Vogel, der sich hinter ihm vom Dach des Hauses erhob, kam flügelschlagend über das Wasser geflogen. Und der Schatten seiner Fittiche breitete sich über mich.
    Das Telefon klingelte.
    Ich schreckte auf.
    »Anita, ist etwas mit dir?«
    »Rose? Ach du liebes bisschen! Es ist ja schon halb elf!«
    »Hast du verschlafen?«, kicherte sie.
    »Aber frag nicht, wie.«
    »Das kriegst du vom Lohn abgezogen!«
    »Du willst mich verhungern lassen!«
    »Ich bin eine gnadenlose Arbeitgeberin.«
    Mir fiel es wieder ein.
    »Der Grund, warum ich verschlafen habe...« »Interessiert natürlich die gnadenlose Ausbeuterin nicht. Erzähl!«
    »...ist, dass ich heute Nachmittag einen Termin mit einem skrupellosen Geschäftsmann habe.«
    »Vom Regen in die Traufe.«
    »Und ich weiß nicht, ob ich hingehen soll.«
    »Wer ist es denn?«
    »Der Besitzer von R&C-Antiquitäten.«
    »Oh, also doch ein Job hier in Köln?«
    »Weniger, glaube ich. Roman und Corvin kommen vermutlich sehr gut ohne mich aus.«
    »Wer?«
    »R&C, Roman und Corvin. Wie der Roman mit Vornamen heißt, weiß ich nicht. Der andere aber nennt sich Valerius.«
    »Anita!«, quietschte es mir aus dem Hörer entgegen. »Marc hat es herausgefunden!«
    »Und du weißt nicht, ob du hingehen sollst? Ja bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Natürlich gehst du. Und wenn ich dich eigenhändig hinprügeln muss!«
    »Brauchst du nicht. Marc hat so etwas auch geahnt und wird mich hinfahren. Aber ich bin mir trotzdem nicht sicher.«
    »Aber Anita, was kann dir denn schlimmstenfalls passieren? Dass er dich nicht wieder erkennt?«
    »Dass er mich kühl und höflich fragt, warum ich vorbeikomme.«
    »Dann wirst du eben sagen, du wolltest einen antiken Schreibtisch kaufen oder so was.«
    »Natürlich. Dass mir das nicht eingefallen ist.« »Oder du entschuldigst dich wegen der Anzeige, die ja noch immer besteht.«
    »Oh, Scheiße! Daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Lieber Gott, was wird der nur von mir denken!«
    »Das wirst du rausfinden, wenn du mit ihm darüber redest. Und jetzt stehst du auf und gönnst dir ein wunderbares, langes, duftendes Bad, wäschst deine Haare und vergräbst dich anschließend in deinem Kleiderschrank. Schau, dass du was Passendes darin findest. Hier tauchst du bitte nicht auf. Nur wenn er dich enttäuscht, dann darfst du dich natürlich sofort in meine Arme stürzen.«
    »Danke, Rose.«
    »Und wehe, du drückst dich.«
    Ich trödelte im Bad herum, genau wie Rose es mir empfohlen hatte, aber besser wurde meine Stimmung dadurch nicht. Ich bügelte endlich die Wäsche, putzte die zwei Zimmer, lackierte mir die Fingernägel, steckte mir die Haare dreimal zu unterschiedlichen Frisuren auf, konnte mich nicht zwischen strengem Kostüm, Jeans oder Hosenanzug entscheiden. Hatte dann plötzlich dieselben Sachen an, die ich auch bei der ersten Begegnung getragen hatte: eine dunkelrosa Bluse, wollweiße Jeans, gleichfarbigen Umhang. Es war kühl genug an diesem Apriltag, der seinen Himmel bedeckt hielt und den nur selten einmal ein Sonnenstrahl durchbrach.
    Marc klingelte kurz vor halb vier an der Tür.
    »Zum Anbeißen siehst du aus, Anita-Schätzchen. Aber ein bisschen blass um die Nase. Was hältst du von ein wenig Puder oder so?«
    »Wahrscheinlich hat er eher Mitleid mit mir, wenn ich bei seinem Anblick blau anlaufe und umzukippen drohe. Ich bin mir nämlich ganz und gar nicht sicher, ob er mich überhaupt sehen will.«
    »Siehst du, das ist der Grund, warum ich hier bin. Da hab ich mir die Finger wund telefoniert, um dir deinen Liebsten herbeizuzaubern, und du streckst die Flügel!«
    »Ja, ja, erst jammere ich euch allen die Ohren voll, und dann verlässt mich der Mut. Ich kann mich selbst nicht leiden.«
    »Aber ich dich. So, steig ein.«
    »Kommst du mit?«
    »Aber Mädchen!«
    »Wartest du auf mich?«
    »Jahrelang, wenn es sein muss. Aber heute werde ich dich deinem Schicksal überlassen. Er wird dich schonnach Hause fahren. Oder du nimmst ein Taxi. Hast du Geld dabei?«
    »So schusselig bin ich nun auch wieder nicht.« »Na, ich weiß
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